Rezension: Kock, Renate (2001): Kinder lehren Kinder

Das Buch
Renate Kock (2001): Kinder lehren Kinder – Der Begriff des tâtonnement expérimental im Werk Célestin Freinets mit einem Beitrag von Manfred Blif-fert, Reihe: Basiswissen Grundschule – Band 7 – Hrsg. Jürgen Bennack, Balt-mannsweiler, Schneider-Verlag Hohengehren, ISBN: 3-89676-404-7,
als Taschenbuch: ISBN: 9783896764041

2003 rezensiert von: Mouchet, Claude, in: Histoire de l’éducation, (2003) 97, S. 130-133
2014 rezensiert von: Jürgen Göndör, in: freinet.paed.com
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Eine wichtige Vorbemerkung:

Es ist schade, dass dieses wichtige Buch zur Freinet-Pädagogik in der Reihe ‚Basiswissen Grundschule‘ erschienen ist denn es ist für die Freinet-Pädagogik allgemein von großem Interesse. So hält es wahrscheinlich viele LehrerInnen und FreinetpädagogInnen, die nicht an der Grundschule arbei-ten, vollkommen ungerechtfertigt vom Kauf ab.

Die Bedeutung des tâtonnement expérimental im Rahmen der Freinet-Pädagogik ist ein grundsätzliches Kapitel, weil es – da heute Inklusion ja groß geschrieben wird – eine Möglichkeit aufzeigt, Unterricht an den Interessen der SchülerInnen zu organisieren statt einen vorgegebenen Lehrplan abzuerledigen. Es gehört vielmehr in die Reihe ‚Basiswissen für Pädagogen‘.

Renate Kock legt mit ihrem Buch eine Recherche zum Begriff des tâtonne-ment expérimental vor. In aller Ausführlichkeit erarbeitet sie die histori-sche Entwicklung dieses Begriffs mit vielen Hinweisen auf Aussagen von Célestin Freinet in der verstreuten Originalliteratur sowie die einschlägige wissenschaftliche Diskussion. Sie untermauert ihre Argumentation mit ei-genen Übersetzungen aus den Aufsätzen Freinets. Ein besonderes Augen-merk von Renate Kock liegt dabei auf der Abgrenzung zu Iwan Petrowitsch Pawlow, zu Burrhus Frederic Skinner und den Behavioristen, zu Jean Pia-get, zu Lew Semjonowitsch Wygotski und zu Henri Wallon. Deutlich werden dabei die subjektorientierten, die konstruktiven und kommunikativen Fak-toren des Lehrens und Lernens in seinem Gesamtwerk. Abschließend ver-deutlicht sie das didaktische Konzept Freinets an einem Freien Text und macht so das unterrichtliche Vorgehen Freinets transparent.

Sie arbeitet auch den Zusammenhang zwischen den individuellen Interes-sen und der Struktur des allgemeinen Arbeitsplanes heraus. Damit gelingt es Célestin Freinet sich von den ministeriellen Vorgaben abzukoppeln und transparent für die Kinder eine Struktur der Welt aufzubauen, die konse-quent an ihren eigenen Interessen orientiert ist. Die Kinder lernen also, dass ihr Bild der Welt sich nicht aus einer objektiven und vorgegebenen Sicht dieser Welt ergibt, sondern aus der Konstruktion ihrer eigenen Lern-aktivitäten. Damit ist nicht nur die jeweils ganz individuell Sicht eines Kin-des gemeint, sondern die Konstruktion eines gemeinsamen Bildes der Welt durch alle Individuen in der kooperativen Klasse.

Ihr Buchtitel: ‚Kinder lehren Kinder‘ ist also nicht der Ansatz ‚Lernen durch Lehren‘ von Jean Pol Martin , in dem Kinder von einem Lehrer den Auftrag bekommen, in seine Rolle zu schlüpfen und dadurch dass sie ein Thema Lehren viel über dieses Thema lernen. Renate Kock verdeutlicht den Ansatz von Célestin Freinet: Indem er die Freien Texte der Kinder zum Ausgangs-punkt seines Unterrichts macht, das thematisiert, was die Kinder einbrin-gen. Sie beschreibt vor allem auch, wie das Schritt für Schritt geschieht. ‚Kinder lehren Kinder‘ bedeutet daher, dass das, was ihnen so wichtig war, das sie es in ihren Freien Texten erzählt haben, genutzt wird, um ihre Fra-gen dazu zu sammeln und diese schließlich im Unterricht zu bearbeiten. Es ist nicht die Systematik eines Themas aus einem Lehrplan, der dann das Un-terrichtsgeschehen dominiert, sondern die aktuellen Interessen der Kinder selbst. In sofern Lehren Kinder alle anderen Kinder durch ihre subjektiven Interessen, weil aus diesen subjektiven Interessen der Unterricht entsteht.

Manfred Blieffert verdeutlicht in einem ergänzenden Beitrag den Wert der Schuldruckerei als Möglichkeit zur kreativen Selbsterfahrung.

Es ist der akribischen Darstellung von Renate Kock zu verdanken, dass nicht nur der Begriff des tâtonnement expérimental im Werk Célestin Frei-nets bestimmt wird, sondern erstens, ausgehend von diesem Begriff auch Fragen an dieses Konzept von Célestin Freinet möglich werden und zwei-tens kann jetzt nach dem Einfluss von Élise Freinet genauer gefragt werden. Paul le Bohec weist ja unmissverständlich darauf hin, dass die Freinet-Bewegung nur existiere, weil Élise und Célestin Freinet ein sich ideal ergän-zendes Gegensatzpaar gewesen seien. Es wird auch die Einseitigkeit deut-lich: Die Freinet-Pädagogik begegnet dem Leser – wie zumeist – als die Päd-agogik von Célestin Freinet. Der Einfluss von Élise Freinet wartet noch auf seine Würdigung.

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Schuldruck heute?!

mritterIn der Kolumne für den Schuldruck ist ein neuer Beitrag erschienen: Schuldruck heute. Anlass war die Einrichtung einer Schuldruckerei an der Universität Bielefeld durch Juniorprofessor Dr. Michael Ritter. Im letzten Semester gab es mehrere Veranstaltungen, in denen Studierende mit andere Studierende und auch mit Kindern druckten.

Auch der Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung von März 2012, in dem über Cristina Müllers c. mueller Masterarbeit: „Auf den Spuren Célestin Freinets – Eine Untersuchung über den Einsatz der Schuldruckerei in der Grundschule von heute“ berichtet wird, zeigt gegen den allgemeinen Trend, die Schuldruckerei als unzeitgemäß zurückzudrängen, wie begeistert das Drucken von Kindern angenommen wird.

Ein Geheimnis dabei scheint die Vorgabe kurzer Texte zu sein. Lange Texte schrecken die Kinder ab – die Setzerei ist ihnen wohl zu mühsam. Lange Texte schrecken aber auch LeserInnen ab. Wer kämpft sich schon gerne durch eine Textwüste.

schreger100x144 Christian Schreger aus Wien hat in seinem Projekt „Kleine Bücher“ erstmals gute Erfahrungen mit diesem Ansatz gemacht. Er hat auch eine kleine Beschreibung des Druckens in 10 Schritten ins Netz auf den Seiten seiner Schule in der Ortnergasse gestellt.

 in der Ortnergasse in Wien in der M2

in der Ortnergasse in Wien in der M2

Verleihung des Michel-Bréal-Preises an Gerald Schlemminger

Kurzmitteilung

schlemmingerProf. Dr. Gérald Schlemminger (Pädagog. Hochschule Karlsruhe) wurde ausgezeichnet für seine langjährige und erfolgreiche grenzüberschreitende Arbeit, insbesondere für sein Engagement bei der Einführung des trinationalen Masterstudiengangs ,Mehrsprachigkeit’. Den Preis verleihen die Michel-Bréal-Gesellschaft und die Josef-David-Stiftung, beides Organisationen, die sich nicht zuletzt die Förderung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zum Ziel gesetzt haben. Die Laudatio hielt Oberbürgermeister Hans-Dieter Schlimmer. … m e h r

Schlemminger, Gérald (Hrsg.) (2008): Erforschung des bilingualen Lehrens und Lernens. Forschungsarbeiten und Erprobungen von Unterrichtskonzepten und -materialien in der Grundschule. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren (= Sprachenlernen Konkret! Angewandte Linguistik und Sprachvermittlung, Bd. 8), 174

Schuldruckwerkstatt an der Uni in Bielefeld eröffnet

In der Lernwerkstatt der AG3 der Uni Bielefeld – Fakultät für Erziehungswissenschaften – ist schon seit November 2012 eine Druckwerkstatt eingerichtet. Die kann man auch über das Internet besuchen: ag3/lernwerkstatt/Schuldruckerei. AnsprechpartnerInnen sind JProf. Dr. Michael Ritter und Dr. Brigitte Kottmann. Michael Ritter war vorher an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und hat dort im Archiv für Kindertexte bei Prof. Dr. Eva Maria Kohl geforscht.

Lesenswert dazu auch der Vortrag von Michael Ritter: Drucken von gestern in der Schule der Zukunft

    Man bedenke, zu dieser Zeit war das gedruckte Wort etwas Besonderes; seine Herstellung dem einfachen Menschen nicht möglich. Es verband sich dadurch eine Autorität und ein Herrschaftsanspruch damit, den Freinet in seiner freiheitlichen Pädagogik aufzulösen versuchte. Für ihn war das Drucken einerseits eine Möglichkeit, die Texte der Kinder aufzuwerten und dem eigenen Tun damit nachhaltig Bedeutung zu verleihen; was wiederum positiven Einfluss auf die Haltung der Kinder dem Lernen gegenüber ausüben sollte. Andererseits verstand er in dieser Arbeit jedoch auch eine aktive Demokratieerziehung, denn er wollte Kindern die Machart des Gedruckten vor Augen führen und damit ihren formimmanenten Geltungsanspruch in Frage stellen. Kinder sollten sich als Träger einer äußerbaren Meinung erleben, die sich in den Formen der Herrschenden, im gedruckten Wort kommunizieren lassen.“

Die Druckerei ist also bei Célestin Freinet keine reformpädagogische Mode gewesen, sondern war Mittel zur Demokratieerziehung. Ziel war nicht eine handwerkliche Ausbildung im Drucken, sondern die Möglichkeit eigenen Texten den Status von Gedrucktem zu verleihen. Sie sollten selbst erleben, wie sich die Wertigkeit ihre eigenen Texte in der Wahrnehmung veränderte, wenn Handschriftliches – noch ungelenke Kinderschrift – sich in einen ordentlichen, offiziell wirkenden Text wandelte. Gleichzeitig konnten die Kinder selbst die Wirkung des Textes durch die Gestaltung des Textes: Schriftgröße, Verzierungen, Anordnung des Textes auf dem Blatt, Verwendung von farbigem Papier oder Variation der Druckfarbe usw. beeinflussen.

Ganz nebenbei wurde in gemeinsamen Gesprächen in der Klasse am Text gefeilt. Es wurde an der Verständlichkeit und am Ausdruck gearbeitet: Was war gemeint, was wollte der Autor sagen, worauf kam es ihm an? Der Text wurde zugespitzt, die wesentliche Aussage auf den Punkt gebracht, Fehler wurden verbessert, über die Gestaltung diskutiert.

Dieser intensive Umgang mit dem Text ‚entschleunigte‘ den Weg an die Öffentlichkeit. Die Textmenge reduzierte sich alleine schon dadurch, dass jeder Buchstabe einzeln gesetzt werden musste – so wurden ‚Bleiwüsten‘ wirkungsvoll eingedämmt. Die Diskussion um die Aussage eines Textes erzwang es, genau hinzuhören. Vorschläge zur Verbesserung mussten vom Autor akzeptiert werden – es ging ja um seinen Text. Ungereimtheiten oder Denkfehler hatten kaum eine Chance, diesen Prozess unerkannt zu durchlaufen. Statt: ‚Warum schreibst Du nicht …“ lautete die Frage: ‚Könnte man das so ausdrücken …‘. Hinterher wusste auch der Autor genauer, wie er seine ‚Meinung‘ formulieren wollte – nicht weil jemand ihm diese übergestülpt, sondern weil er sich mit ihr gründlich auseinandergesetzt hatte.

Schuldruck überarbeitet

Nachdem die Seiten schon mit Google gefunden wurden:

Die Seiten zur Schuldruckerei wurden vollkommen überarbeitet

schuldruckseite

Schuldruckseite bei freinet.paed.com

Die URL lautet http://freinet.paed.com/freinet/frdruck.php

Informationen über den Schuldruck an deutschen und schweizer Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, an Schulen, in Museen, mit Praxistips, mit speziellen Internetadressen zum Schuldruck, mit Bezugsquellen für Schuldruck-Materialien, mit Videos und Audios von Kindertexten, der Kategorie Schuldruck im Blog hier und natürlich jede Menge Literaturhinweise.

Besonders sollte darauf hingewiesen werden, dass auch der Schuldruck in der Schweiz vorgestellt wird.

Auf Google-Maps finden sich alle (?) oder zumindest fast alle Einrichtungen, die im Internet recherchiert werde konnten und die einen Bezug zum Schuldruck haben.

Sehr interessant ist die Forschungsstelle zu Kindertexten an der Martin-Luther-Universität in Halle. Frau Prof. Dr. Eva Maria Kohl hat in einem Archiv über 100.000 freie Kindertexte zusammengetragen, die nun Gegenstand der Forschung sind.

Aber stöbern Sie selbst und lassen Sie sich überraschen.

Demnächst steht möglicherweise die aktuellste wissenschaftliche Arbeit – eine Masterarbeit von Cristina Müller von der Universität Osnabrück zur Verfügung. Sie hat eine Schulklasse bei der Anfertigung eines Buches über Fledermäuse begleitet und diesen Prozess zum Gegenstand ihrer Masterarbeit gemacht.

4000ster Datensatz in der Literatur-Datenbank zur Freinet-Pädagogik

Heute wurde der 4000ste Datensatz eingegeben!

Es handelte sich um einen Beitrag von Michael Ritter: Dazu will ich etwas schreiben! Didaktische Überlegungen zu freien und kreativen Schreibprozessen.

Michael Ritter ist heute Juniorprofessor an der Uni Bielefeld und hat zusammen mit seiner Frau Alexandra eine Schreibwerkstatt Schreibritter in Halle geleitet. Er war Mitarbeiter von Prof. Dr. Eva Maria Kohl, die an der Martin Luther Universität Halle das ambitionierte Projekt ‚Archiv für Kindertexte‘ aufgebaut hat.

An der Uni Bielefeld arbeitet er mit Ulrich Busse zusammen, Abteilungsleiter an der Laborschule. Die Laborschule wiederum hat vor längerer Zeit eine sehr gute DVD zum Schuldruck und zu Freien Texten erstellt.

Fortbildung im Schuldruckzentrum PH Ludwigsburg 24.2. – 26.2.2012

Freinet Pädagogik

vom 24. bis 26. Februar 2012
Beginn: Freitag 16 Uhr Ende: Sonntag ca.12 Uhr im Schuldruckzentrum der PH Ludwigsburg
71634 Ludwigsburg, Reuteallee 25 (Gebäude 11) beim Lidl
Claire Obskure Druckes – die besondere Art des Holzschnitts

Claire Obscure ist die, in der Renaissance entwickelte malerische hell-dunkel Variante des Holzschnitts. Mit ihr lassen sich echte Halbtöne im Hochdruckverfahren drucken. Dadurch ist es möglich, die Entwürfe  malerisch zu gestalten. Raimund Ilg wird uns in diese Technik einführen und die erprobten Einsatzmöglichkeiten in der Schule zeigen.

Referent:  Raimund Ilg

Organisation: Eva Schulz, Peter Hespeler, Werner Andrä

Kosten:
 Für Frühstück und Vesper und Material: ca. 8 €  ( genaue Abrechnung) Teilnahmegebühr für AKS Mitglieder 25 € / Nichtmitglieder 30 €

Übernachtungsmöglichkeiten:
 Hotel Poseidon, 5 Gehminuten vom Schuldruckzentrum EZ 50 €, DZ 32,50 €.

ACHTUNG: Wenn ihr ganz sicher ein Zimmer im Hotel Poseidon wollt, dann solltet ihr in den nächsten 3 Tagen mir eine Mail schicken, da das Hotel uns keinen längeren Reservierungszeitraum zugesteht. Ich würde das Zimmer für euch bestellen. Danach bitte Selbstbuchung im Hotel Poseidon:   Tel.  07141 32264 oder Zimmervermittlung LB- siehe Internet.

Alle Teilnehmer bitte bis spätestens 25.1. 2012 per mail Rückantwort anmelden::  
Peter Hespler

http://schuldrucker.de