Bachelorarbeit von Theresa Guczogi in Wien

Welche theoretischen Elemente definieren Freinet-Klassen? Untersuchung aufgrund von ExpertInneninterviews im Raum Wien.

Die Arbeit ist bei Freinetpädagogik in Wien bei freinet.paed.com im Volltext mit freundlicher Genehmigung von Theresa Guczogi abrufbar.

So lautet der Titel der Arbeit, die tief in den Freinet-Unterricht an Wiener Schulen taucht. Theresa Guczogi stellt fest:

    „Zentrale Elemente, die in Wiener Freinet-Klassen verwendet werden, sind Klassenrat und Erzählkreise. … Das freie Schreiben wird in Wien vor allem in Form von verschiedenen Arten der Korrespondenz, hauptsächlich Web Blogs und selbst erstellten Büchern, aber auch mittels Brief- oder E-Mail-Kontakt mit Partnerklassen, Wandzeitungen, Radiosendungen, E-Mails an die Eltern oder andere „wichtige Personen“, und sogar über Twitter, praktiziert. Im Zuge dessen werden der Umgang und die Risiken der neuen Medien thematisiert. … Auch in „Bildnerische Erziehung“ wird der freie Ausdruck von den Wiener PädagogInnen verwendet, ebenso wie in Verbindung mit Werken, dem Theaterspiel und Musik.“

Freinet selbst habe sich zwar dezidiert gegen Schulbücher ausgesprochen, aber alle Freinet-LehrerInnen verwenden Schulbücher – vor allem Mathematik- und Schreiblehrgänge sowie Lesebücher in der Klassenbibliothek. Wochenpläne sind keine abzuarbeitenden Ansammlungen von Aufgaben, sondern werden unterschiedlich eingesetzt: Teilweise planen die Kinder selbst, was sie in ihrem nächsten Projekt bearbeiten wollen, oder schreiben auch im nachhinein auf, was sie in der Woche getan haben. Es gibt auch ‚Materialbücher‘, in denen alle für die Kinder verfügbaren Materialien abgebildet werden. Sie helfen den Kindern in dem durchweg sehr freien Unterricht die Übersicht zu behalten.

Es wird in Ateliers gearbeitet, so dass der Unterricht nur teilweise in der Klasse stattfindet und sich auch auf den Gang oder die Garderobe und auch in Nebenräume ausbreitet. Die Kinder werden auch teilweise bei der Gestaltung der Arbeitsplätze/Klassenräume/Ateliers beteiligt.

    „Es wird von allen befragten Lehrpersonen versucht, die Klassenräume zu Verlassen und in Form von Lehrausgängen das „echte Leben“ mit der Schule zu verknüpfen. Projektwochen, Ausflüge in den Wald und Unterricht im Freien sind keine Seltenheit.“

Auch das ‚tastende Versuchen‘ – also das forschende, entdeckende Lernen – ist bei manchen LehrerInnen zentraler Schwerpunkt ihres Unterrichts. Es bestehen auch Verbindungen zur Montessoripädagogik:

    „Die Lehrpersonen vertreten generell die Meinung, dass sich alles, was gut für die Kinder ist, mit der Freinet-Pädagogik verknüpfen lässt, da die Freinet-Pädagogik einen weiten Rahmen vorgibt.“

Bei einzelne Freinet-Elementen – z.B. beim freien Schreiben – konnte in verschiedenen Klassen die konkrete Umsetzung untersucht und verglichen werden.

Der besondere Schwerpunkt der Arbeit sind die fünf transkribierten Interviews und die Dokumentation ihrer Verarbeitung.

Die Interviews geben einen sehr interessanten Einblick in das freientpädagogische Unterrichtsgeschehen – nicht nur in Wien … vielleicht . Sie zeigen deutlich auf, wie Unterricht auch an einer Regelschule anders gestaltet werden kann. Wie Kinder an dem was sie lernen sollen (und wollen) beteiligt werden können, wie sie Einfluss nehmen können auf das, was in der Schule in ihrem Schulalltag geschieht. Sie sind ein Beleg dafür, dass Demokratie und Mitbestimmung auch beim Lernen ihren Platz haben können.

Es bräuchte sicherlich noch viel mehr solcher Interviews mit LehrerInnen und auch Kindern. Das Unterrichtsgeschehen müsste und könnte viel transparenter sein statt hinter geschlossenen Türen abzulaufen. In der (Gesprächs-)Psychotherapie hat dieses Verfahren: Gesprächssequenzen aus realen Therapiesitzungen – Carl R. Rogers (Lernen in Freiheit) – einen deutlichen Impuls gegeben, die Gräben zwischen den verschiedenen Therapierichtungen zu überwinden. Davon ist Schule heute noch sehr weit entfernt. So können sich die Professoren trefflich darüber streiten, ob Frontalunterricht oder ob reformpädagogische Methoden günstiger für den Lernerfolg der SchülerInnen sind.

Genial in dieser Hinsicht ist die Dissertation Falko Peschels, der in seiner Dissertation (2003): Offener Unterricht in der Evaluation (ISBN: 978-3834001306, Verlag Schneider Hohengehren, 6. Auflage 2007) seinen Grundschulunterricht über vier Jahre ausführlich dokumentiert hat. Zu jedem Kind, insbesondere zu den ‚lernschwachen‘ SchülerInnen, hat er Fallstudien erstellt, die ihre Lernfortschritte und Lernerfolge minutiös beschreiben. Peschel hat auch mehrere Jahre in der Grundschule Harmonie in Eitorf bei Köln (als Konrektor) gearbeitet, die von dem Freinet-Pädagogen Walter Hövel geleitet wird. Beeindruckend ist auch die Chronik (in der Navigation links), die Walter Hövel vom August 2008 bis Juli 2011 monatlich erstellt hat.