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Kinderschule Oberhavel - Eltern machen eine Freinet-Schule

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Veröffentlicht am Mittwoch 06 März 2002 22:33:39 von Juergen
Dieser Artikel wurde von broeker mitgeteilt
schule.jpgWir möchten, dass unsere Kinder auch in der Schule die Be-Achtung bekommen, wie sie sie zu Hause und im Kindergarten erfahren!“ Diese sieben Kinder gehen zum Teil in einen reformpädagogischen Kindergarten, wurden schon schulreif bzw. werden es noch. Wir, ihre Mütter und ein Vater, alle mit dem entsprechenden partnerschaftlichen Familienhintergrund, arbeiten seit 1 1/2 Jahren konzentriert an der Verwirklichung einer Schulidee: eine Grundschule in freier Trägerschaft nach der Pädagogik von Célestin Freinet mit ökologischem Schwerpunkt.


Aber natürlich stand nicht die Freinet-Pädagogik am Beginn unserer Überlegungen. Unsere inhaltliche Kompetenz bezog sich auf die eigenen Schulerfahrungen und das, was wir aktuell in Schulen in unserer Umgebung sahen und sehen:

  • Auswendiglernen für die Prüfung,
  • alle sitzen und sind zum Zuhören verbannt,
  • das Lernenmüssen von Stoff, der uns unsinnig erschien,
  • das Lernen war nicht effektiv und machte keinen Spass,
  • alles geht nach dem Diktat des Lehrers,
  • Unverständnis bei der Bewertung von Aufsätzen,
  • die Kränkung bei der Beurteilung von schöpferischen Produkten,
  • wenn man die Grundlagen nicht verstanden hat, verpaßt man den Anschluss,
  • man will sich nicht präsentieren, um nicht negativ aufzufallen,
  • das menschliche Desinteresse – der Lehrstoff zählt,
  • LehrerInnen orientierten sich an den anpassungsfähigen, guten Schülern und kümmerten sich zu wenig und oft in sehr demotivierender Weise um die, die aus dem Raster fielen,
  • die Strafen,
  • die gemalten Schneemänner einer Klasse sehen alle gleich aus,
  • der „Schonwaschgang“ in der ersten Klasse,
  • die Hilflosigkeit bei Gewalt unter den Kindern,
  • die Frustration bei LehrerInnen und Kindern usw.

Diese Liste ließe sich noch sehr lange weiterführen. Konfrontiert mit dem Schulalter unserer Kinder lebte unsere eigene Schulvergangenheit wieder auf.

Der reformpädagogische Kindergarten „Malwine“ wurde vor sechs Jahren unter grossen Schwierigkeiten von Eltern aus Überzeugung eingerichtet. Für diese und andere Kinder brauchen wir hier auch ein anderes Schulleben! Bei der Lektüre der Reformpädagogen, hat die Freinet-Pädagogik unsere Gruppe sehr schnell angesprochen und überzeugt. Sie bietet praxisbezogene Antworten auf unsere Fragen und eine umsetzbare Reaktion auf unsere Kritik. Sie malt ein Bild von der Schule, in die wir auch alle gerne gegangen wären.
Beim Studium der Freinet-Pädagogik hat mich dieser schöne Eifer gepackt, den man immer empfindet, wenn man sich etwas selbstgesteuert und eigenmotiviert erarbeitet. Ein Stück Freinet-Selbsterfahrung. So ist dieses Schulprojekt zwar ein Quell größter Mühen, die dann auch quälen, wenn es gilt, existentielle Probleme zu lösen und sich mit so einer exotischen Sache zu präsentieren. Aber wir fühlen uns sicher getragen von der Überzeugung für unser Konzept. Wir möchten hier einen knappen Überblick bieten.

Mathetik statt Didaktik: Die Kinderschule Oberhavel orientiert sich nicht in erster Linie an der in staatlichen Schulen vorherrschenden Didaktik, sondern legt ihrer Arbeit eine mathetische Auffassung vom Lernen zu Grunde. Mathetik ist die Theorie und Praxis des Lernens, die „... die Kinder in eine von kunstvoll ausgesuchten Lernmöglichkeiten bestimmte und beschränkte Welt einführt, um in ihr der self-direction, dem Lernbedürfnis der Kinder selbst den Weg zu lassen." Deshalb gehört zur Mathetik der "Verzicht auf eine systematische, durchrationalisierte und kollektive Belehrung."
Als "pädagogisch überzeugende Mittel dieser Mathetik" sieht von Hentig folgende an: "

  • Gliederung in Lernbereiche (statt in Fächer)...
  • die Integration der Kulturtechniken in den Sachunterricht...
  • die Ganzheitlichkeit der Erfahrungen/des Lernens in Projekten...
  • das Anknüpfen an der Erfahrungswelt der Kinder...
  • die Mischung der Kinder verschiedenen Alters, verschiedener Herkunft, verschiedener geistiger, psychischer und physischer Veranlagung...
  • die Unvoreingenommenheit gegenüber der Entwicklungsfähigkeit eines Kindes in einem bestimmten Alter...
  • die Bereitstellung einer Vielfalt von Lernformen...
  • der Verzicht auf Noten...
  • Lehrer, Erzieher, Eltern, die bereit sind zu helfen, wenn ein Kind mit seinem selbstregulierten Lernen in Not gerät...
  • eine ... 'Buchführung' über die wichtigsten angebotenen Lernerfahrungen, den Werdegang und die Biographie der einzelnen Schüler..."


Im Konzept der Kinderschule Oberhavel finden sich all diese und weitere Elemente wieder:

  • Die konsequente Realisierung aller Merkmale der Freinet-Pädagogik:
  • selbstbestimmtes Lernen aus eigenem Antrieb,
  • Mathetik (individuelles selbstreguliertes Lernen)
  • das Lernen für das Leben und am Leben,
  • die Orientierung des Lernstoffes und seiner Aufbereitung an den Bedürfnissen der Kinder,
    -
  • maßgebliche Beteiligung der Kinder an der Gestaltung der Schule
  • die natürliche Methode: „Verstehen heißt wiedererfinden“.
  • Ein besonderer Lernschwerpunkt Ökologie mit vier Säulen.
  • Ein integrativer und antirassistischer Anspruch, der den Verzicht auf einen monokulturellen Maßstab einschließt.
  • Der Aufbau von vielfältigen Kontakten mit Menschen aus anderen Staaten, wobei das weltweite Netz der Freinet-Bewegung viele Kontaktmöglichkeiten bietet.
  • Die Bewegungslehre nach der Methode von Elfriede Hengstenberg.
  • Fremdsprachen lernen ab der der ersten Klasse.
  • Die Integration von behinderten Kindern und deren Förderung durch einen musischen Schwerpunkt.


Sehr bewusst ist uns, dass Papier geduldig ist und die praktische Umsetzung guter Absichten ein neues Abenteuer bedeutet. Z.B. die Tatsache dass die LehrerInnen an der Aufbauphase nicht beteiligt waren und erst jetzt in das Projekt einsteigen, kann zu grossen praktischen Schwierigkeiten führen.
Deshalb brauchen wir Euch, liebe LeserInnen und Euch, die Freinet-Kooperative. Sicherlich könnt Ihr uns viele wertvolle Hinweise und Ideen aus eigener Erfahrung mitgeben.

Wir möchten:

  1. Die Freinet-Schule in unserer Umgebung bekannt machen.
  2. Familien finden, die das Schulkonzept mittragen.
  3. Entscheidungskriterien über die Aufnahme von Kindern finden
  4. Eltern vertraglich binden.
  5. Die Umsetzung aller Prinzipien der Freinet-Pädagogik, wobei wir für den Anfang Prioritäten finden müssen, denn alles auf einmal zu wollen, geht sicher schief.
  6. Elternarbeit, damit sie die Pädagogik verstehen und mittragen können.
  7. Unsere LehrerInnen begleiten, damit sie in die Materie Freie Schule und Freinet-Pädagogik hineinwachsen.
  8. Die Schule mit sinnvollem Arbeitsmaterial für die Startphase (1./2.Jahrgangsstufe) ausstatten.
  9. Eine gute Organisationsstruktur im Verein finden, die es uns ermöglicht, in der schulischen Arbeit gut voranzukommen.
  10. Eine Vernetzung mit anderen Freinet-Schulen und -Klassen

Wir haben bereits eine gute Zahl ernsthafter Interessenten für die Schulplätze, ehemalige Schulräume, in die wir hineinwachsen können und Lehrerinnen, die an der Kinderschule arbeiten möchten. Der Antrag auf Genehmigung ist auf einem guten Weg, und wir rechnen mit einer Genehmigung für das kommende Schuljahr. Das brandenburgische Schulgesetz sieht vor, dass die Schule in freier Trägerschaft die ersten 2 Jahre ohne finanzielle Unterstützung vom Land arbeiten muss.

Wir suchen noch finanzielle und fachliche Unterstützung und Personal (Pädagogik, Verwaltung) für jetzt oder später.

Wir freuen uns auf Eure Rückmeldungen über E-Mail oder einen Kommentar hier in Freinet-Online.

Andrea Mischke 033051/26261,
Stephanie Bröker 03301/800682
Homepage Kinderschule-Oberhavel

Stephanie Bröker

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