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E. u. C. Freinet

  • Forum Freinet

    Die Freinet's

  • Texte von E. & C. Freinet
    in deutscher Übersetzung


  • Scolatismus

    Noch vor kurzem rühmte sich die Medizin der methodischen Behandlung, die sie in Kliniken und Krankenhäusern Neugeborenen und Kleinkindern angedeihen ließ: regelmäßiger Tagesablauf, genau bemessene und dosierte Nahrung, vollkommene Keimfreiheit der leeren Zimmer, wo, fern von der Mutter, die Kinder"aufzucht" ihre größtmögliche Perfektion erreicht zu haben schien. Diese Kinder jedoch entwickelten sich nicht normal. Etwas schien zu fehlen im medizinischen Zählwerk. Dieses Etwas war die affektive Anwesenheit der Mutter, die Stimme der Welt außerhalb, die ersten Sonnenstrahlen, der Zauber der Tiere und der Blumen.

    Die Wissenschaft gab diesem Mangel einen signifikanten Namen: "Hospitalismus".

    Die pädagogischen Wissenschaft will mit derselben abgemessenen Genauigkeit die intellektuelle Nahrungszufuhr für die Kinder regeln. Sie isoliert sie dazu in einer besonderen Umgebung, der Schule: Ruhe, neutrale Kälte der Lektionen und der Aufgaben, systematische Unterdrückung aller Kontakte mit dem Leben, dem draußen oder dem der Familie, Ruhe, Sauberkeit, Ordnung, Mechanik.

    Die Mangelerscheinungen sind nicht zu leugnen: schlecht verdaute Nahrung, Widerwille vor intellektueller Ernährung, der bis zur totalen Verweigerung gehen kann, Verkrüppelung des Individuums, Lebensuntüchtigkeit, Feindseligkeit gegenüber der falschen Kultur der Schule.

    Diese Mangelerscheinungen nenne ich "Scolatismus". Der Begriff des "Hospitalismus" war seinerzeit eine wissenschaftliche Blasphemie, bevor er als Realität anerkannt wurde. Heute sorgt man sich um wirksame Heilmittel.

    Der Begriff des "Scolatismus" wird eine pädagogische Blasphemie sein, die wir dort, wo erzogen wird, einführen, dort, wo wir schon viele andere neue Begriffe eingeführt haben.

    Er soll für einen Moment die Ordnung und falsche Methodik der Schule stören, so, wie der Kampf gegen den "Hospitalismus" die kalte Logik der Kliniken gestört hat.

    Und der Augenschein wird uns recht geben.

    Wir werden experimentell zeigen, wie man diese Mangelerscheinung diagnostizieren kann, die jetzt einen Namen hat: "Scolatismus". Wir werden sie wissenschaftlich beschreiben, damit Eltern und Erzieher sich daran gewöhnen, diese neue Krankheit bei ihren Kindern aufzuspüren, dies Krankheit, gegen die wir alle zusammen Heilmittel suchen.

    Text aus: J. Hering u W. Hövel (Hrsg): Immer noch der Zeit voraus, 19961, Bremen
    Original in: C. Freinet: Les dits de Mathieu, 1967

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