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title: Die Reformpädagogik Freinets im Fremdsprachenunterricht by Beyer, Maria |
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Titel: | Die Reformpädagogik Freinets im Fremdsprachenunterricht |
Autor: | Beyer, Maria | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Müchen, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2017 | | |
url: | https://www.grin.com/document/374833 |
Text:
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Ansprüche der Reformpädagogik Freinets
2. „Pädagogik vom Kinde aus“
2.1. Nationale Reformbestrebungen
2.2. „L’Ecole moderne“ - Die moderne Schule
3. „Le tâtonnement experimental“ - Das tastende Versuchen
4. Unterrichtspraktiken im Fremdsprachenunterricht
4.1. Freier Text
4.2. Korrespondenz
5. Schlussfolgerungen für die Lehrpraxis
6. Literaturverzeichnis
1. Ansprüche der Reformpädagogik Freinets
„Indem die Schule das Bedürfnis des Menschen, unaufhörlich emporzusteigen und zu wachsen ignorierte, hat sie sich des stärksten menschlichen Motors beraubt“[1], weshalb es „für uns [Lehrer] gilt, als wahres Erziehungsziel zu fordern, daß das Kind in einem größtmöglichen Maße zur Entfaltung seiner Persönlichkeit im Schoße einer vernünftigen Gemeinschaft gelangen kann, der es dient und die auch ihm dient.“[2]
Ausgehend von den traumatischen Erfahrungen der eigenen Schulzeit, basierend auf unverständlichen Lehrwerken und „körperlichen Züchtigungen“[3], forderte der am 15. Oktober 1896 in den französischen Seealpen geborene Sohn einer Bauernfamilie[4], Célestin Freinet, eine radikale Reformierung der traditionellen Schule. Entgegen deren standardisiertem Nützlichkeitsstreben entwirft Freinet eine Schule des Volkes, die die Verschiedenheit der Persönlichkeitsentfaltung des Schülers als Ressource ins Zentrum pädagogischer Handlung stellt. Neben schulischer Orientierung an der umgebenden Lebenswelt der Schüler und deren natürlicher Bedürfnisbefriedigung erfolgt dabei eine lehrerunabhängige Eigenständigkeit auf Initiative der Lernenden. +
Die fundamentale Reform Freinets „Pädagogik vom Kinde aus“ lässt sich dabei vom Prinzip „le tâtonnement experimental“ (übersetzt „Das tastende Versuchen) leiten, welches anschließend an einen Abriss der nationalen Reform-bestrebungen ausgeführt wird. Nachfolgend wird sich in der Vorstellung von Freinets „L’Ecole moderne“ (übersetzt „Die moderne Schule) auf die zentralen und thematisch für die Hausarbeit relevanten Grundsätze beschränkt. Im Rahmen der eigenen Recherche zum Thema der Freinet-Pädagogik stellte sich die Frage, inwieweit sich die anregend empfundenen Unterrichtstechniken des „freien Textes“ und der Korrespondenz auf den Kontext des deutschen Fremdsprachenunterrichts außerhalb des Rahmens der Regelschulzeit übertragen ließen, welche im Hauptteil der Hausarbeit anhand der greifenden didaktisch-methodischen Prinzipien Erläuterung finden. Im anschließenden Fazit wird auf die Rentabilität des Pädagogikmodells in Bezug auf die eigenen Schlussfolgerungen der Lehrpraxis eingegangen.
2. „Pädagogik vom Kinde aus“
2.1. Nationale Reformbestrebungen
Die ersten Bestrebungen reformpädagogischer Ansätze lassen sich zeitlich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ansiedeln, ausgehend von einer aufkeimenden Kritik an der herkömmlichen Paukschule, bezogen auf „die Trennung von Schule und Leben, das Hinweggehen über die Bedürfnisse der Kinder, die Erziehung zu Passivität und blindem Gehorsam, die autoritären Strukturen, die Trennung von Kopf- und Handarbeit, die einseitig verbale und intellektualistische Vermittlungsform, die Stabilisierung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.“[5] Entgegenwirkend stellen Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, praktisches Lernen durch Handeln innerhalb der Erlebnispädagogik und die direkte Verknüpfung von Schule und Alltag der Lernenden die zentrale Prinzipien dar.
Der Philosoph und Pädagoge Johann Amos Comenius legte bereits in den Jahren 1627 bis 1638 mit seinem pädagogischen Hauptwerk „Didactica magna“ (übersetzt „Große Didaktik“), in der von Schulen als „Werkstätten der Menschlichkeit“ ausgegangen wird, da der „Mensch nicht nur bildungsfähig, sondern auch bildungsbedürftig“[6] ist, einen grundlegenden Anhaltspunkt für die Reformationsbewegungen der Jahrhundertwende. Ebenso beeinflusste die Neuauffassung der Kinder und Jugendlichen als Personen mit eigenen Bedürfnissen und Interessen, welche sich von den Erwartungen der Erwachsenen befreien müssten um zur freien Persönlichkeitsentwicklung zu gelangen, in Jean-Jaques Rousseaus „Émile ou de l’éducation“ (übersetzt „Emile oder über die Erziehung“) aus dem Jahr 1762 das Denken nachhaltig. Weiterhin gelten die Industrialisierung im Zusammenhang mit dem globalen Handlungsverkehr sowie die staatliche Organisation der öffentlichen Bildung und die zunehmende Entwicklung von professioneller Literatur im Bildungssystem als wegbereitende Voraussetzungen für die Schaffung von institutionellen Wirklichkeiten der Jahre 1820 bis 1890, die eine grundlegende Erneuerung des Bildungssystems nach sich zogen.
Die deutschen Reformbestrebungen lassen sich auf die Rede des jungen Kaiser Wilhelms II. vor der Schulkonferenz im Jahr 1890 in Berlin datieren, welche als Anstoß für die kritische Auseinandersetzung mit dem bisherigen Schulsystem galt. Parallel dazu setzt die Jugendbewegung, welche die Jugend als einen eigenständigen, nach Freiheit und Natur er fahrung suchenden Lebensabschnitt verstand, ein und diente als Grundlage der allgemeinen reformpädagogischen Konzepte. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist von kulturkritischen Bewegungen im Untergrund geprägt, welche angetrieben von Friedrich Nietzsche, Paul Anton de Lagarde und Julius Langbehn den Keimboden der Reformpädagogik darstellen. Der „Bund für Schulreform“ wird 1908 als allgemeiner deutscher Verband für Erziehungs- und Unterrichtswesen zur Vereinigung reformorientierter Lehrer gegründet und gilt im Zuge seiner Neubenennung in „Deutscher Ausschuss für Erziehung und Unterricht“ ab 1915 als Dachverband zahlreicher Verbände.
Die darauffolgende Periode ist von der Entwicklung verschiedener pädagogischer Reformkonzepte gezeichnet, in deren Mittelpunkt jeweils die freie Persönlichkeitsentfaltung des Kindes steht. Neben der entworfenen „Arbeitsschule“[7] zur allgemeinen und beruflichen Bildung nach Georg Kerschensteiner, welche in den Jahren von 1890 bis 1933 als Synonym für die Reformpädagogik verstanden wurde, der „Landerziehungsheimbewegung“[8] von Hermann Lietz, ist Alfred Lichtwarks „Kunsterziehungsbewegung“[9], die nach einer sittlichen Gesamterneuerung des Lebens strebt, anzutreffen.
2.2. „L’Ecole moderne“ - Die moderne Schule
Entsprechend der reformatorischen Forderung der Jahrhundertwende, die Kinder haben sich nicht der gesellschaftlich konventionellen Erziehung zu beugen, sondern die Erziehung habe sich am Kind zu orientieren und ihm zu dienen, stellte Freinet in den 1920er Jahren auf der Basis der theoretischen Grundlagen und Techniken anderer Reformpädagogen, wie unter anderem Paul Geheeb, Johannes Gläser und Georg Kerschensteiner, sein eigenes Volksschulkonzept „L’Ecole moderne“ zusammen. Dabei handelt es sich um eine Erlebnispädagogik, die sich der Individualität der Kinder als Ressource innerhalb des eigenen Lernprozesses durch kooperativ eigenverantwortliche Organisation bedient. Entgegen der standardisierten Passivität der Schüler, die sich in der bisherigen Regelschule manifestiert hat, liegt Freinets pädagogischer Anspruch in der Förderung von aktiven, begeisterten Kindern, die wieder Freude am Unterricht und Lernen empfinden. Dafür ist das Überwinden der Wände des Klassenzimmers, um eine Brücke zwischen der umgebenden Lebenswelt zu schlagen, im Zusammenhang mit der Anerkennung des Kindes als eigenständiges Subjekt und dessen Bedürfnisse durch den Erzieher von zentraler Notwenigkeit.
Grundlegend ist hierbei die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes, durch vom Lehrer eingeräumte Möglichkeiten des freien Ausdrückens und Austausches. Freinet bedient sich neben den allgemein freien Gestaltungstechniken, wie zum Beispiel von morgendlichen Kreisgesprächen über persönliche Erlebnisse und dem freien Theater- oder Rollenspiel nach Themenwahl der Schüler, in besonderem Maße den konkreten Unterrichtstechniken des „freien Textes“, der Schuldruckerei und Klassenzeitung sowie der Schulkorrespondenz, welche sich nachhaltig als „Freinet-Techniken“ etabliert haben. Der „freie Text“ definiert sich als ein „Ausdruck, den das Kind selbst gewählt hat, um seine Gedanken mitzuteilen, auch wenn er nicht den ästhetischen und intellektuellen Kriterien des Erwachsenen entspricht“[10] über zwei bis drei Zeilen. Neben der Übung von grammatikalischem Satzbau und Wortschatz ziele dieser auf das motivierende Gefühl des Ausgefülltsein des Kindes, auf der Basis der individuellen Kommunikation ab. Als dringende Voraussetzung für die Erfüllung gilt die Regelmäßigkeit der Anwendung, wie die von formaler Autorität befreiten Lehrerrolle, als ermutigende Stütze der Kinder. Die Schuldruckerei wird als Verbindung von geistiger und manueller Arbeit in kooperativer Arbeit von den Kindern selbst ausgeführt, um dem eigenen Schreiben einen besonderen Wert beizumessen. „Als Kommunikationsmittel durch Austausch und Kritik der Klassenzeitung können Drucktechniken und Inhalt verbessert werden, können sich neue Arbeitsmöglichkeiten zeigen, kann eine neue Korrespondenz entstehen. Ein Zeugnis der kindlichen
Kreativität.“[11] Die Schulkorrespondenz schließt den Kreis der Unterrichtstechniken als individueller Briefwechsel der Schüler mit einem jeweils persönlichen Partner und unterliegt den Regeln der Regelmäßigkeit, Wechselseitigkeit und Sorgfältigkeit. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung der Techniken sieht Freinet ein vertrauensvolles Lehrer-Schüler-Verhältnis, bei dem der Lehrer zwar als ständiger Bezugspunkt zur Seite steht, durch Nicht-Einschreiten in die Handlungsfähigkeit des Schülers jedoch eine Unabhängigkeit des Lernprozesses durch echte Kommunikation fördert.
Zurückführend auf die Auflösung der Wände des Klassenzimmers als Grenzen des Unterrichts, setzt Freinet die kritische Auseinandersetzung mit der direkten Umwelt als zentrales Prinzip in den Mittelpunkt der schülerischen Handlung. Hierfür muss die Lehrperson das Alltagsmilieu des Kindes in direktem Kontakt mit der gesellschaftlichen Realität, zum Beispiel durch Erkundungen von Handwerksbetrieben, als Interessensquelle einräumen. Die dabei aufkommende kindliche Motivation, basierend auf den treibenden Faktoren von Staunen, Neugierde und dem Wunsch nach Verstehen des Gesehenen, resultiert ein Forschungs- und Lernprozess, der in direktem Zusammenhang mit dem Begriff der „Arbeitsschule“ steht. Als Arbeit wird die Erweiterung des bisherigen Erfahrungswertes sowie ein elementares Bedürfnis auf dem Prinzip des „tastenden Versuchens“, welches im nachfolgenden Punkt Erläuterung findet, verstanden. Hierbei ist es Aufgabe des Lehrers, einen abgegrenzten Bereich mit Materialien verschiedener Tätigkeiten als Rahmenbedingung des Lernens bereitzustellen. Anschließend wird den Kindern unter Bereitstellung des Wissens der Lehrperson ermöglicht, sich die Antwort auf eine Frage durch erlebnishaftes Experimentieren in Form von der Erkenntnissen selbst anzueignen.
Weiterführend zielt Freinet auf eine Selbstverantwortung des Kindes ab. Ausgehend von dem Recht auf Verschiedenheit, der damit einhergehenden, unterschiedlichen Förderung von Lernrhythmen der jeweiligen Interessen und ausgebildeten Veranlagungen der Kinder, erlernen diese eine Arbeitsorganisation nach selbstgewählten Maßstäben sowie eine qualitative und quantitative Bewertung dieser durch eine situative Einschätzung innerhalb der Klasse und/oder in Form einer Arbeitsbilanz durch die Lehrperson. Ohne den normativ standardisierten Lernrhythmus einer Regelschule gründet das Lernen bei Freinet insofern auf ein Erfolgserlebnis, da die Schüler sich selbst gegenüber merkbare Fortschritte machen und somit der Abbau von Selektion durch Konkurrenz gefördert wird. Als Arbeitsmittel sollen Karteikarten zur Selbstkorrektur, eine Arbeitskartei für praktische Vorhaben und Experimente, eine „Arbeitsbibliothek“ in Form einer Schülerenzyklopädie und eine in der Klasse angelegten Dokumentensammlung dienen.
[...]
[1] Baillet, Dietlinde: Freinet - praktisch: Beispiele und Berichte aus Grundschule und Sekundarstufe, Beltz Taschenbuch, 1999, Seite 27
[2] Freinet, Célestin; Jörg, Hans (Hrsg.); Zillgen, Herwig: Die Erzieherische Kraft der Arbeit, Pädagogische Werke: Teil 1 (Originaltitel: L’Éducation Du Travail), Paderborn, München, Wien, Zürich: Schoeningh Verlag, 1998, Seite 361
[3] Schlemminger, Gerald; Hansen-Schaberg, Inge (Hrsg.): Reformpädagogische Schulkonzepte, Band 5: Freinet-Pädagogik, Schneider Verlag GmbH, 2012, Seite 22f.
[4] Hecker, Ulrich: Biographische Notizen: Annäherung an Célestin Freinet, in: Freinet-Kooperative e.V., Bundesverband von Freinet- Pädagoglnnen in Deutschland, URL: http://freinet-kooperative.de/grundlagen/einluehrung/biographie-celestin-freinet/ (eingesehen am: 13. Januar 2017)
[5] Koitka, Christine (Hrsg.): Freinet-Pädagogik: Unterrichtserfahrungen zu: Freier Text, Selbstver-waltung, Klassenzeitung, Korrespondenz u.a., Berlin: Basis Verlag GmbH, 1977, Seite 6
[6] Comenius, Johann Amos; Flintner, Andreas (Hrsg.): Große Didaktik: mit einem Nachwort 1992 zum Stand der Comeniusforschung (Originaltitel: Didactica Magna dt.), 7.Auflage, Stuttgart: Klett-Cotta, 1992, Seite 32
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[7] Die Vernetzung von handwerklicher Tätigkeit und der geistigen Auseinandersetzung mit dieser wird im Rahmen der schulischen
Bildung als Vorbereitung auf die spätere Berufstätigkeit verstanden. Dabei werden die persönlichen Neigungen des Schüler berücksichtigt.
[8] Ausgehend von dem Lernumfeld, einer „Erziehung auf dem Land“, leben die Schüler und Erzieher in sogenannten „Familien“ zusammen, wobei die Erziehung in Verknüpfung von körperlicher und geistiger Tätigkeit erfolgt. Als Ziel soll daraus die Ausbildung des harmonischen Geistes mit praktischen Fertigkeiten und einem Moralverständnis resultieren.
[9] Die Kindheit wird als Geniezeit des Menschen aufgefasst, welcher durch seine emotionalen Kräfte (Gefühl, Phantasie, Anschauung, Darstellungsfähigkeit) zur persönlichen Reife gelangt. Hierbei zeichnet sich die Lehrerrolle durch eine indirekte Einwirkung durch Reize und Umweltsituationen, statt durch direkte Beeinflussung, aus.
[10] Baillet, Dietlinde: Freinet - praktisch: Beispiele und Berichte aus Grundschule und Sekundarstufe, Weinheim und Basel: Beltz Taschenbuch, 1999, Seite 18
[11] Baillet, Dietlinde: Freinet - praktisch: Beispiele und Berichte aus Grundschule und Sekundarstufe, Weinheim und Basel: Beltz Taschenbuch, 1999, Seite 18
Schlagworte:
lit-2017_art, Hausarbeit,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Herder Institut
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ID: 5329 | hinzugefügt von Jürgen an 14:16 - 18.4.2020 |
title: verNETzt beDRUCKt FREInet TEXTe lesen koOPERAtion LsIEBdruck by Feldt, Sonja |
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Titel: | verNETzt beDRUCKt FREInet TEXTe lesen koOPERAtion LsIEBdruck |
Autor: | Feldt, Sonja | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 12 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
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Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
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ID: 4969 | hinzugefügt von Jürgen an 05:23 - 19.7.2017 |
title: Schnupperkurs by Feldt, Sonja |
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Titel: | Schnupperkurs |
Autor: | Feldt, Sonja | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 14 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
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Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
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ID: 4970 | hinzugefügt von Jürgen an 05:25 - 19.7.2017 |
title: Mitgliederversammlung / Bundesversammlung by Glänzel, Hartmut; Klingelhöver, Marlis; Schreiner, Ben |
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Titel: | Mitgliederversammlung / Bundesversammlung |
Autor: | Glänzel, Hartmut; Klingelhöver, Marlis; Schreiner, Ben | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 48 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
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Text:
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Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
summary:
2.3. - 4.3.2018 Freie Schule Comenius in Darmstadt
keine Notizen verfügbar
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ID: 4981 | hinzugefügt von Jürgen an 05:59 - 19.7.2017 |
title: verNETzt - editorial - FuV 160 by Happel, Gabriela; Klingelhöver, Marlis |
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Titel: | verNETzt - editorial - FuV 160 |
Autor: | Happel, Gabriela; Klingelhöver, Marlis | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 3 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
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Text:
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Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
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ID: 4965 | hinzugefügt von Jürgen an 05:09 - 19.7.2017 |
title: Interview mit Jean Gal im schweizerischen Toggenburg 15. 5. 2016 by Honegger, Andi, u.a. |
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Titel: | Interview mit Jean Gal im schweizerischen Toggenburg 15. 5. 2016 |
Autor: | Honegger, Andi, u.a. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Wien, 2017, S. 11-16 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.MM.2017 | | |
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Text:
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Schlagworte:
elise-h12, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
Notiz:
Le Gal, Jean; Honegger, Andi; Steiger, Peter; Heidi; Isolde; Mechthild; Amiet, Sylviane; Transkript der Audio-Aufnahme: Peter K. Jakob
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ID: 4958 | hinzugefügt von Jürgen an 23:22 - 29.6.2017 |
title: Der aktuelle Bildungsdiskurs im Spiegel der Reggio-Pädagogik by Kempmann, Ann-Kathrin |
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Titel: | Der aktuelle Bildungsdiskurs im Spiegel der Reggio-Pädagogik |
Autor: | Kempmann, Ann-Kathrin | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2017 | | |
url: | https://www.grin.com/document/432691 |
Text:
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Frühkindliche Bildung
2.1 Das Trias Erziehung – Bildung – Betreuung
2.2 Der Bildungsauftrag in der Frühpädagogik
2.3 Frühe Kindheit
2.4 Frühkindliche Bildungsforschung in Deutschland
2.5 Bildungspläne der Bundesländer
3. Die Kindertagesbetreuung in Deutschland
3.1 Die Kindertagesstätte als institutionelle Betreuungsform
3.2 Die Kindertagespflege als private Betreuungsform
4. Reggio-Pädagogik
4.1 Die konzeptionelle Entwicklung der Reggio-Pädagogik
4.2 Die Biografie von Loris Malaguzzi
4.3 Das Menschenbild der Reggio-Pädagogik
4.3.1 Das Bild vom Kind
4.3.2 Die Rolle Erwachsener: Eltern und Erzieher
4.4 Besonderheiten und Grundsätze der Reggio-Pädagogik
4.4.1 Die Bedeutung von Identität und Gemeinschaft
4.4.2 Die Vorstellung von Bildung und Lernen
4.4.3 Die Bedeutung von Projekten
4.4.4 Beobachtung und Dokumentation
4.4.5 Der Raum als dritter Erzieher
4.5 Kritik an der Reggio-Pädagogik
5. Vergleich des Bildungsverständnisses des frühkindlichen Bildungs-diskurses mit dem Bildungsverständnis im Konzept der Reggio- Pädagogik
6. Resümee
7. Anhang
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Das Thema Bildung hat seit der Aufklärung in allen historischen Epochen zu kontroversen Diskussionen geführt. Immer wieder wurden Bildungsreformen gefordert und Änderungen eingeleitet (...) Die aktuelle Bildungsdebatte in Deutschland wird von den Ergebnissen der PISA-Studie angestoßen“ (Thesing 2004, S. 13).
Die Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse 2001 hat bis heute erheblichen Einfluss auf den frühkindlichen Bildungsdiskurs, der in der vorliegenden Arbeit thematisiert wird. Die Ursache für das schlechte Abschneiden in der PISA-Studie wurde nicht ausschließlich in der Schule gesucht, sondern ebenso im vorschulischen Bereich. Es wurden vielfältige Vorschläge zur Reform der Kindertageseinrichtungen unterbreitet. Unter anderem wurde ein früherer Schuleintritt, eine stärkere schulische Ausrichtung des Kindergartens[1], der Ausbau der Angebote für unter 3-Jährige, eine gesonderte Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund und der Ausbau der Ganztagesbetreuung gefordert (vgl. Otto / Rauschenbach 2008, S. 14; Fthenakis 2003, S. 13). Die PISA-Studie war einer der zentralen Auslöser dafür, dass die frühkindliche Bildungsdebatte so intensiv in Medien, Wissenschaft und Politik diskutiert wurde. Es ist darauf hinzuweisen, dass die PISA-Studie zwar die Defizite der 15-jährigen Schüler[2] feststellt, jedoch gibt es keinen Beleg dafür, dass diese in irgendeinem Zusammenhang mit der frühen Kindheit stehen (vgl. ebd., S. 14; ebd., S. 13). Umso erstaunlicher ist es, dass die damals vorgebrachten politischen Forderungen genau auf diesen Bereich abzielen. 2004 reagierten die Bundesländer mit der Veröffentlichung ihrer Bildungspläne auf die frühkindliche Bildungsdebatte[3] (vgl. Textor 2016). Diese werden unter anderem in dieser Abschlussarbeit hinsichtlich der Bildungsverständnisse sowie der Vorstellung vom Kind thematisiert.
Die vorliegende Arbeit thematisiert den frühkindlichen Bildungsdiskurs in der institutionellen Kindertagesbetreuung. Die an diesen Diskurs herangetragenen Forderungen und Vorstellungen von Bildung werden mit dem Bildungsverständnis des pädagogischen Konzeptes der Reggio-Pädagogik verglichen. Schaut man sich die pädagogischen Konzepte der institutionellen Kindertagesbetreuung in Luxemburg an, dann wird deutlich, dass die großen Maison Relais-Trägerorganisationen Arcus, Elisabeth und Caritas Jeunes & Familles mit ihrer Konzeption auf die inhaltlichen Bestandteile der Reggio-Pädagogik zurückgreifen. Das pädagogische Welt-Atelier-Konzept wurde aus der Reggio-Pädagogik abgeleitet und beinhaltet das Bild vom kompetenten Kind sowie das Bildungsverständnis der Reggio-Pädagogik. Maison Relais existieren seit dem Jahr 2005 und ergänzen als außerschulisches Betreuungsangebot das Bildungssystem in Luxemburg[4] (vgl. Horn et al. 2011, S. 5 ff.). Durch meine Arbeit als Educatrice graduée an einer Maison Relais in Luxemburg hat sich das Interesse an der frühkindlichen Bildung sowie an der Reggio-Pädagogik intensiviert. Die vorliegende rein literaturgestützte Masterarbeit vereint beide Themen, behandelt jedoch gezielt die frühkindliche Bildungsdebatte in Deutschland. Die an diesen Diskurs herangetragenen Forderungen sowie Vorstellungen vom Bildungsverständnis werden mit der Vorstellung von Bildung in der Reggio-Pädagogik in Kapitel 5 bezugnehmend auf die Forschungsfrage: „Welche wichtigen Bildungsaspekte werden in der Reggio-Pädagogik benannt, die im aktuellen Bildungsdiskurs nicht oder nur am Rande auftauchen?“ verglichen.
Dazu wird im ersten thematischen Kapitel der frühkindliche Bildungsdiskurs thematisiert. Es wird unter anderem auf das Trias Erziehung, Bildung und Betreuung sowie auf den Bildungsauftrag in der Frühpädagogik eingegangen. Danach wird die frühe Kindheit thematisch behandelt. Anschließend wird der derzeitige Stand der frühkindlichen Bildungsforschung aufgezeigt, um sodann mit den Bildungsplänen der Bundesländer fortzufahren. Kapitel 3 legt die Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in Deutschland dar, die neben der Kindertagesstätte als institutionelle Betreuungsform, auch die Kindertagespflege beinhaltet. Im Anschluss daran thematisiert Kapitel 4 ausführlich die Reggio-Pädagogik. Es wird die konzeptionelle Entwicklung beschrieben sowie die Besonderheiten der Reggio-Pädagogik aufgeführt. Des Weiteren werden wichtige Grundsätze, das Bild vom Kind und die Vorstellung von Bildung und Lernen dargelegt. Darüber hinaus werden die Rollen der Erzieher und die der Eltern in Bezug zum Kind untersucht. Kapitel 5 vergleicht die Bildungsverständnisse des frühkindlichen Bildungsdiskurses mit dem Bildungsverständnis im Konzept der Reggio-Pädagogik. Die Arbeit wird durch ein Resümee abgerundet.
2. Frühkindliche Bildung
Die länderübergreifenden Schulleistungsstudien wie TIMMS (Trends in International Mathematics and Science Study) und PISA (Programme for International Student Assessment) haben dazu geführt, dass viele Länder ihre Bildungssysteme neu überprüft und reguliert haben. In diesem Zusammenhang und im Zuge von neuen Forschungserkenntnissen aus den Neurowissenschaften sowie Bereichen der Psychologie wird die frühe Kindheit als bedeutsame Phase der individuellen Bildung begriffen und als erster Schritt im lebenslangen Lernen angesehen (vgl. Stamm 2010, S. 11). Die Autorin Stamm betont, dass diese Entwicklung die Pädagogik unvorbereitet trifft und dass die frühe Kindheit ein vernachlässigtes Thema darstelle. Es gibt ihrer Meinung nach nur wenige Antworten darauf, was frühkindliche Bildung ist, in welchem Zusammenhang sie mit der Betreuung und Erziehung stehe und was sie beinhalte bzw. wozu sie dient (vgl. ebd.). Schäfer kritisiert, dass „(...) in der gegenwärtigen Debatte um frühkindliche Bildung wahllos alles als Bildung bezeichnet wird – gleichgültig ob es sich um eine spezifische Förderung (zum Beispiel der Muttersprache) handelt, um eine Technik, die Kinder beherrschen sollten (vielleicht den Umgang mit Computern), um soziales Einfühlungsvermögen oder ‚Kompetenzen’ in einem Lernbereich“ (Schäfer 2011a, S. 29).
Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung lässt sich zudem nur indirekt aus der PISA-Studie ableiten, dadurch, dass diese sich auf den Leistungsstand von Schülern bezieht. Weigl geht auf den Aspekt ein, dass die PISA-Studie zwar zu der Ansicht führe, dass Bildungsprozesse bei Kindern bereits vor Schuleintritt gefördert werden sollten, dennoch fehle der konkrete Zusammenhang zur frühkindlichen Bildung (vgl. Weigl 2010, S. 1). Die Autoren Otto und Rauschenbach bestätigen ebenso, dass bei der PISA-Studie hinsichtlich der schulischen Leistung kein Zusammenhang zum vorschulischen Bereich festgestellt wurde (vgl. Otto / Rauschenbach 2008, S. 14). Fthenakis betont, dass die PISA-Studie eine Reflexion der Pädagogik der frühen Kindheit erforderlich mache. Dennoch kritisiert er vorschnelle bildungspolitische Maßnahmen, die zum Beispiel eine frühe Einschulung sowie den verstärkten Deutschunterricht vor dem Übergang in die Grundschule als Reaktion auf die PISA-Studie fordern (vgl. Fthenakis 2003, S. 13). Der Autor Weigl kritisiert, dass in bildungspolitischer Hinsicht der Eindruck entstehe, die Schuld für das Versagen des Schulbetriebs bei der Frühpädagogik zu suchen (vgl. Weigl 2010, S. 2). Das ist insofern problematisch, weil sich als Konsequenz hieraus ergeben würde, dass schulisches Lernen bereits im Kindergarten, in Kindertagesstätten und ähnlichen Betreuungssettings durchgeführt werden müsse. Der Autor Schäfer positioniert sich für eine frühkindliche Pädagogik, die eine Kultur des Lernens gestaltet. Er führt aus: „(...) Bildungsprozesse können nur da dauerhaft initiiert und gesichert werden, wo die Aktivität des Kindes durch soziale Bedingungen getragen und unterstützt, durch sachliche Anregungen herausgefordert und durch strukturelle Bedingungen dauerhaft gesichert wird“ (Schäfer 2011b, S. 11). Die Grundlage dieser Kultur besteht nach Schäfer in der Beteiligung des Kindes an den dargebotenen Möglichkeiten, die von der Pädagogik aus geschaffen werden sollten (vgl. ebd.).
In der Fachliteratur stehen sich laut Gisbert grundsätzlich zwei unterschiedliche Anschauungen frühkindlicher Bildung gegenüber:
1. „Bildung richtet sich (...) auf Aspekte wie Motivation und Interesse oder ganz allgemein auf eine positive Lerndisposition.“
2. Bildung richtet sich auf die „(...) gezielte Vorbereitung auf die Schule (...) der Erwerb schulbezogener Kompetenzen (ist) das erklärte Ziel“ (Gisbert 2003, S. 87).
Carle und Wenzel nennen ebenfalls die zwei Anschauungen, die den frühkindlichen Bildungsdiskurs kennzeichnen. Die vorschulische Bildung, in anderen Worten frühkindliche Bildung, beinhaltet zum Einen das Verständnis der schulvorbereitenden Funktion der Kindertageseinrichtungen. Andererseits betonen gerade die Kindertagesstätten als Ort frühkindlicher Bildung in ihrem Selbstverständnis den eigenen Bildungsbeitrag unabhängig von schulischen Kriterien (vgl. Carle / Wenzel 2007, S. 186). Die Autoren Sieber und Wittmann unterscheiden zwischen Bildung als Selbstbildung und Bildung als instrumentellen Kompetenzerwerb. Die instrumentelle Bildung ist ihrer Meinung nach ein Prozess „(...) durch den Menschen personale (Schlüssel-)Qualifikationen und eine deutliche Orientierung an der Arbeits- und Berufswelt erhalten“ (Siebel / Wittmann 2014, S. 39). Die Lerninhalte sind bei diesem Bildungsverständnis in Lehrplänen festgeschrieben und werden mittels didaktischer Methoden vom Lehrpersonal gestaltet und dokumentiert, in anderen Worten benotet (vgl. ebd.). Unter selbstreferentieller Bildung verstehen die Autoren die Bildung als „(...) Prozess der Entwicklung von Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben zu lernen, sein eigenes Leistungspotenzial zu entwickeln, eigenständig und –verantwortlich zu handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen einzugehen“ (ebd.). Hierbei geht es nicht darum festgelegtes Wissen vermittelt zu bekommen, sondern vielfältige Kompetenzen zu entwickeln. Als Kompetenzen nennen die Autoren:
- Personale Kompetenz: Entwicklung der Identität
- Soziale Kompetenz: Entwicklung der Beziehungsfähigkeit
- Lernmethodische Kompetenz: das Lernen lernen
- Inhaltliche Kompetenz: Aufnahme von Basiswissen, damit sind grundlegende Zusammenhänge gemeint
- Orientierungskompetenz: Unterscheiden, bewerten und entscheiden können (vgl. ebd., S. 38 f.).
Der Autor Weigl spricht sich dafür aus, das bisherige Bildungsverständnis zu erweitern. Es geht darum alle Lern- und Bildungsprozesse in den Vordergrund zu rücken unabhängig von Bildungsinstanzen und vorgegebenen Lehrplänen. Er kritisiert, dass es immer wieder zu Vermischungen von schulischer Problematik und frühpädagogischen Ansätzen in der Bildungsdebatte kommt. Es ist somit durchaus ratsam, die frühkindliche Bildung und die schulische Bildung voneinander zu differenzieren und sich die Unterschiede bewusst zu machen (vgl. Weigl 2010, S. 3 f.).
Bisher wurde die Entwicklung des frühkindlichen Bildungsdiskurses ausgehend von der Veröffentlichung schulischer Bildungsstudien beschrieben. Es handelt sich hierbei um den Ausgangspunkt dieser Arbeit. Obwohl es sich um schulische Bildungsstudien handelt, wirkte sich die Veröffentlichung der Studie auch auf den vorschulischen Bereich aus und ihre Institutionen aus. Dies führte unter anderem zu unterschiedlichen Auffassungen von Bildung. In der nachfolgenden Darstellung des frühkindlichen Bildungsdiskurses werden bestimmte, für die Ausarbeitung relevante thematische Schwerpunkte gewählt, da die Tragweite des Diskurses zu groß ist und infolgedessen im Rahmen dieser Masterarbeit nicht umzusetzen wäre. Der frühkindliche Bildungsdiskurs wird dabei hinsichtlich seiner Auffassungen von Bildung untersucht. Das erste Unterkapitel beschäftigt sich zunächst mit dem Trias Erziehung, Bildung und Betreuung, welches insbesondere den rechtlichen Förderungsauftrag widerspiegelt. Verschiedene Positionen werden zu dem Trias dargelegt, um aufzuzeigen, wie die drei Begriffe zueinanderstehen und was darunter verstanden werden kann. Danach werden die Entwicklungen in Deutschland aufgezeigt, die zu dem offiziellen Bildungsauftrag in der Frühpädagogik geführt haben. Schließlich wird die frühe Kindheit dargelegt, die Vorstellung des Kindes, die in direkter Verbindung zu der pädagogischen Haltung des Erziehers steht und dementsprechend Einfluss auf die Bildungsprozesse des Kindes nimmt, hinsichtlich selbstinitiierter bzw. fremdinitiierter Lernprozesse. Im Anschluss daran wird die frühkindliche Bildungsforschung und ihre Entwicklung in Deutschland prägnant wiedergegeben, da die Forschungsergebnisse zu dem „neuen“ Bild vom Kind beigetragen haben und dementsprechend relevant für die vorliegende Masterarbeit sind. Der Zusammenhang zwischen den Forschungsergebnissen und diesem Diskurs wird aufgezeigt. Daran anschließend werden die Bildungspläne der Bundesländer thematisiert bezugnehmend auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Hierzu wird in erster Linie Sekundärliteratur herangezogen, die sich auf verschiedene Analysen unterschiedlicher Autoren bezieht.
2.1 Das Trias Erziehung – Bildung - Betreuung
„Kindertagesstätten hatten schon immer einen offiziellen Bildungsauftrag, allerdings verbunden mit Erziehung und Betreuung, wobei in der Diskussion der vergangenen Jahre vielfach die Betreuung und speziell die erweiterten und flexiblen Öffnungszeiten mehr Gewicht hatten als die Intention Bildung“ (Thesing 2004, S. 45).
Thesing geht in seinem Zitat auf den festgeschriebenen Förderauftrag der Kindertagesbetreuung in Deutschland ein und kritisiert zugleich, dass die Betreuung bisher im Vordergrund stand. Der § 22 SGB VIII beinhaltet für Tageseinrichtungen und Kindertagespflege in gleichermaßen einen Förderungsauftrag:
„(3) Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen“ (§ 22 SGB VIII Absatz 3).
Es gibt eine große Anzahl verschiedener Sichtweisen über den Bedeutungsgehalt des Bildungsbegriffs. Der Autor Fichtner empfiehlt, „(...) dass der Begriff nur aus gesellschaftlichen Zusammenhängen der jeweiligen Zeit heraus zu verstehen ist und seine Deutung darüber hinaus vom subjektiven Standpunkt des Benutzers abhängt“ (Fichtner 2007, S. 23). Allgemein wird unter dem Bildungsbegriff der Erwerb von Wissen und Kenntnissen verstanden. Fichtner betont allerdings, dass Bildung vielmehr ein umfassender Prozess der Selbstbildung jedes einzelnen Menschen sei. Der Begriff dürfe nicht ausschließlich auf schulisches Wissen und gesellschaftliche Verwertung reduziert werden (vgl. ebd., S. 24 f.). Der zwölfte Kinder- und Jugendbericht unterstützt diese Auffassung: „Bildung ist mehr als das, was Institutionen bei jenen hervorbringen, die sie besuchen, ist mehr als ein messbares Ergebnis an abfragbaren Wissensbeständen. Bildung ist ein offener und unabschließbarer Prozess, der von den Menschen selbst gestaltet wird[5] “ (BMFSFJ 2005, S. 103). Betreuung und Erziehung werden hierbei als Bedingungen von Bildung angesehen. Der Bericht geht darauf ein, dass eine eindeutige Abgrenzung der Begriffe schlichtweg nicht möglich ist. Bei den Begriffen Erziehung und Bildung handelt es sich um Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft, hingegen wird Betreuung als abgeleiteter Begriff gesehen. Betreuung beinhaltet jedoch Funktionen, die für Erziehungs- und Bildungsprozesse unabdingbar sind (vgl. ebd., S. 105 f.). Berg-Winkels differenziert das Trias wie folgt, unter Bildung versteht sie die „(...) aktive Aneignung der Welt, der Kultur und der Natur von Geburt an. Erziehung beschreibt die Gesamtheit der Verhaltensweisen und Aktivitäten von Erwachsenen im verantwortlichen Umgang mit Kindern. Unter Betreuung versteht man die umfassende Sorge für das leibliche und seelische Wohlbefinden der Kinder“ (Berg-Winkels 2010, S. 25).
Schäfer unterscheidet den Erziehungs- von dem Bildungsbegriff folgendermaßen: „Während unter Erziehung die Reaktionen einer Gesellschaft auf die Entwicklungstatsache verstanden wird, rückt der Bildungsbegriff eher das eigenwillige und selbständige Handeln des Individuums bei seinen Lernprozessen in den Mittelpunkt sowie deren Beziehungen zu einem übergreifenden soziokulturellen Zusammenhang“ (vgl. Schäfer 2014, S. 13). Fichtner sieht in der Erziehung ein „(...) absichtsvolles Einwirken des Erwachsenen auf den Entwicklungsprozess und damit eben auch auf Bildungsprozesse des Kindes“ (Fichtner 2007, S. 29). Bildung als Aneignung betont hingegen die eigenständige Tätigkeit des Kindes. Die Erziehung hat das Ziel, diese Aneignungsprozesse zu unterstützen bzw. zu ermöglichen (vgl. ebd.). Thesing beschreibt Erziehung und Selbstbildung des Kindes ebenfalls als Dialog: „Erziehung vermittelt zwischen dem kulturellen Anliegen und den Selbstbildungsaktivitäten des Kindes. Sie kann nicht verstanden werden als ein einseitiges Durchsetzen von erzieherischen Intentionen. Somit sind Erziehung und Selbstbildung kein Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig“ (Thesing 2004, S. 54). Liegles Bildungsverständnis kommt dem von Thesing sehr nah. Liegle definiert die Erziehung als Aufforderung zur Bildung: „Bildung als Aneignungstätigkeit hätte keinen Gegenstand und keine Entfaltungschancen ohne die unterstützende und stimulierende Vermittlung von Seiten der Umwelt; Erziehung als vermittelnde Tätigkeit müsste ins Leere laufen, könnte sie nicht auf die Aneignungsfähigkeit und Aneignungsbereitschaft der Kinder setzen“ (Liegle 2008, S. 99). Erziehung und Bildung sind seiner Meinung nach komplementär und beinhalten eine Relation von vermittelnder und aneignender Tätigkeit (vgl. ebd., S. 99 f.).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es bis heute keine einheitliche Definition des Bildungsbegriffs gibt. Graichen konstatiert:
„Der Bildungsbegriff ist der Begriff in der deutschen Pädagogik, dem im Laufe der Zeit häufig mehr unterschiedliche Bedeutungen und Inhalte zugeschrieben wurden als irgend einem anderen Fachausdruck. Das heißt, es existiert keine einheitliche Definition darüber, was Bildung ist, und dies macht den Bildungsbegriff zu einem der ungenauesten Termini in der Pädagogik“ (Graichen 2002, S. 16).
Bildung ist und bleibt ein unklarer Begriff, der seit dem Erscheinen der PISA-Studie zu einem öffentlichen Begriff geworden ist, „(...) mit dem unterschiedliche Deutungen, Forderungen und Hoffnungen verbunden werden“ (Fichtner 2007, S. 26). Bevor der Bildungsauftrag der frühen Kindheit im nachfolgenden Kapitel thematisiert wird, sollen vorab noch einige Perspektiven der Bildung dargelegt werden. Harring et al. beschreiben die Entwicklung, dass „(...) im Mainstream der Bildungsdiskussion ein Einvernehmen darin zu erkennen [ist], dass Bildung keineswegs nur etwas darstellt, das ausschließlich in der Schule stattfindet. Dies ist dahingehend als eine neue Perspektive zu verstehen, da die bisherige auf Kinder und Jugendliche bezogene empirische Bildungsforschung vornehmlich von der Schulforschung geprägt war“ (Harring et al. 2007, S. 8). In der heutigen Bildungsdebatte hat die Institution Schule nach wie vor eine dominierende Stellung, dennoch widmet sich die Bildungsforschung nun zunehmend den Lernprozessen in außerschulischen Kontexten (vgl. ebd.). Verschiedene Arbeiten haben zur Diskussion von verschiedenen Bildungsorten geführt und darüber hinaus zu einer Ausweitung des Bildungsbegriffs (vgl. Furtner-Kallmünzer et al. 2002, Dohmen 2001, BMFSFJ 2005, Otto / Rauschenbach 2004, Rauschenbach / Düx / Sass 2006, Tully 2006). Die Orte, an denen Bildungsprozesse stattfinden, gliedern sich nun in drei Bereiche:
- Formelle Bildung
- Nicht-formelle Bildung
- Informelle Bildung (Harring et al. 2007, S. 8).
Unter formaler Bildung versteht man Lernprozesse, die in eigens dafür errichteten Institutionen erfolgen, d.h. Schule, Ausbildung und Hochschule sind Orte formalen Lernens (vgl. BMFSFJ 2005, S. 127). Formales Lernen ist zielgerichtet und mit einer bestimmten formalen Qualifizierung bzw. Zertifizierung verbunden (vgl Overwien 2006, S. 46). Die Schule als Ort formaler Bildung weist aufgrund ihres streng reglementierten Organisationscharakters und hinsichtlich der Selektionsgewalt einen hohen Grad an Formalisierung auf (vgl. BMFSFJ 2005, S. 128). Nicht-formelle Bildungsorte sind zwar durch eine klare institutionelle Strukturiertheit und Rechtslage gekennzeichnet, sie stellen jedoch eine andere Form von Lerngelegenheiten bereit. Die Lernprozesse zeichnen sich durch eine offene Angebotslage und freiwillige Nutzung bzw. Inanspruchnahme aus. Im Fokus stehen hier die Vermittlung von sozialen und personalen Kompetenzen sowie die Förderung und Beteiligung an politischen und gesellschaftlichen Prozessen. Die Bildungsziele dieser Einrichtungen sind nicht streng festgeschrieben und die erworbenen Kompetenzen werden auch nicht zertifiziert (vgl. Rauschenbach et al. 2004, S. 32 f.; Harring et al. 2007, S. 9). Harring et al. erläutert: „Vor allem die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Institutionen der vorschulischen Bildung können nach diesem Verständnis als Orte der nicht-formalen Bildung gesehen werden“ (Harring et al. 2007, S. 9). Unter informeller Bildung versteht Dohmen alle bewussten als auch unbewussten Lernprozesse, die abseits von organisierten, strukturierten und kontrollierten Lernarrangements fernab von öffentlichen Bildungsinstitutionen stattfinden (vgl. Dohmen 2001, S. 18 ff.). Das situative Lernen, welches ungeplant stattfindet und beiläufig, vielleicht auch unbemerkt geschieht, steht hier im Vordergrund. Familie, Peer Group sowie die Medien sind klassische informelle Bildungsorte (vgl. ebd., Harring et al. 2007 S. 9; Rauschenbach et al. 2006, S. 7). Rauschenbach et al. sieht die Orte des informellen Lernens als Voraussetzung und zugleich Fortsetzung formeller und nicht-formeller Bildungsprozesse (vgl. Rauschenbach et al. 2006, S. 7).
Das nächste Kapitel widmet sich nun dem Bildungsauftrag der frühen Kindheit. Es werden unter anderem die Entwicklungen in Deutschland aufgezeigt, die zu dem Bildungsauftrag in der Frühpädagogik geführt haben.
2.2 Der Bildungsauftrag in der Frühpädagogik
Es wird fortwährend darüber diskutiert, inwieweit Kindertageseinrichtungen als erste Stufe des Bildungswesens gesehen werden können. Laut Liegle kann die Geschichte der Frühpädagogik in Deutschland als „(...) eine Geschichte der Trennung zwischen (‚sozialpädagogisch’ orientiertem) Kindergarten und Schule“ aufgefasst werden (Liegle 2008, S. 86). Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Wie hat sich diese Auffassung geändert? Die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan erläutert: „Lange Zeit herrschte die Auffassung vor, Bildung beginne in der Schule, der Kindergarten sei zum Spielen da. Das hat sich geändert. Heute verstehen wir den Kindergarten als Lernort, alle Bundesländer haben entsprechende Bildungspläne erlassen. Deshalb ist es sinnvoll, dass beide Einrichtungen sich stärker abstimmen“ (Schavan 2007, S. 35). Die Perspektive auf die institutionelle Kindertagesbetreuung hat sich somit geändert. Die Kindertagesstätte wird nun als Ort der Bildung aufgefasst. Liegle geht des Weiteren auf den Aspekt ein, dass Spielen und Lernen gar kein Widerspruch in sich ist (vgl. Liegle 2008, S. 87). Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten enthält sogar ein eigenes Kapitel zum Thema Spielen und Lernen. Es wird dargelegt, dass Spielen und Lernen für Kinder ein und dasselbe ist und trotzdem viele Erwachsene hierin einen Widerspruch sehen:
„Im Spiel verwirklichen sich sowohl die allgemein menschlichen Lerngrundsätze wie auch die spezifischen Bedingungen des kindlichen Lernens auf ideale Weise (...) Ist es wirklich so, dass im Kindergarten nicht gelernt wird, dass das Spielen mit der Kindergartenzeit aufhört, dass in der Schule kein Platz fürs Spielen ist, dass Spielen und Lernen Gegensätze sind? Spielen ist die dem Kind eigene Art, sich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen, sie zu erforschen, zu begreifen, zu ‚erobern’ (...) Spiel, Lernen und Entwicklung sind also untrennbar verbunden[6] “ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2011).
Nach dem Verständnis des Orientierungsplans kann es keine strikte Trennung von Spielen und Lernen bei Kindern geben. Sie bedingen sich gegenseitig. Ebenso kritisch wird die räumliche Trennung gesehen, in der das Spielen dem Kindergarten und der Schule das Lernen zugeschrieben wird. Bereits in den sechziger Jahren erfuhr die Kindertagesstätte eine deutliche Aufwertung, dadurch, dass Sozialisationsforscher einen Zusammenhang zwischen vorschulischer Förderung und späterem Schulerfolg feststellten. Infolgedessen wurden mehr Kindergartenplätze gefordert (vgl. Aden-Grossmann 2002, S. 164). Der Blick auf die Kindertagesstätte als Einrichtung änderte sich: „Er galt nicht mehr primär als eine soziale Einrichtung für Kinder, deren Mütter berufstätig sein mußten, sondern als eine familienergänzende Bildungseinrichtung, durch deren Besuch auch Kinder aus dem Bildungsbürgertum profitieren konnten“ (ebd.).
Die Kindertagesstätte hat sich von einer sozialfürsorgerischen Notfalleinrichtung für Kinder berufstätiger Mütter zu einer anerkannten Bildungsstätte entwickelt. Bereits 1970 erkannte der Bildungsrat die Kindertagesstätte als Teil des Bildungswesens an. Aden-Grossmann merkt an, dass diese Entscheidung jedoch keine politischen Konsequenzen nach sich zog (vgl. ebd., S. 316). Das Bestreben lag ausschließlich in den kompensatorischen Angeboten für Kinder aus bildungsfernen Schichten. Schließlich wurde dieses Bestreben in den darauffolgenden Jahren durch die Ausweitung des Betreuungsangebots überlagert. Seit 1996 haben alle Kinder vom dritten Lebensjahr an einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz (vgl. ebd., S. 317). Dies hat unter anderem zu „(...) einer Erhöhung der Versorgungsquote für drei- bis sechsjährige Kinder geführt“ (Fthenakis 2004, S. 388). Als Nebeneffekte führt Fthenakis des Weiteren die teilweise verschlechterten Rahmenbedingungen und Vernachlässigung der Weiterentwicklung des Betreuungssystems dieser Altersgruppe an (vgl. ebd.). 2001 wurde schließlich die von der OECD durchgeführte internationale Vergleichsstudie veröffentlicht und löste einen nachhaltig wirkenden Schock über den Bildungsstand deutscher Schüler aus. Die Studie ergab, dass in Deutschland nach wie vor die soziale Herkunft ausschlaggebend für den Bildungserfolg ist[7] (OECD 2001). Die Studie führte dazu, das Schulsystem kritisch zu hinterfragen und darüber hinaus wurde die vorschulische Erziehung in den Blick genommen. Laut Fthenakis haben die Berichte der Delphi-Befragungen 1998, die Resultate der PISA-Studie sowie die Empfehlungen des Forum Bildung im Jahr 2001 zu einer anhaltenden politischen Debatte hinsichtlich der Bildungsqualität in Tageseinrichtungen geführt (vgl. Fthenakis 2004, S. 389). Er führt weiter aus: „Ausgehend von einer Neubewertung der Bedeutung früher Lernprozesse begann man in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre international den Bildungsauftrag der Tageseinrichtungen neu zu konzeptualisieren (...) In Deutschland begann Mitte der neunziger Jahre eine Auseinandersetzung bezüglich der Konzeptualisierung von frühkindlicher Bildung und der Bedeutung, die frühen Bildungsprozessen in der kindlichen Entwicklung zukommt“ (ebd., S. 389 f.). Während in anderen europäischen wie zum Beispiel England, Norwegen und Schweden viele Fragen zur Bildung in den frühen Kindheitsjahren bereits seit Jahren diskutiert und Ansätze erfolgreich umgesetzt werden, fängt die Diskussion hierzulande jetzt erst richtig an (vgl. Oberhuemer 2003, S. 38 ff.). Das dritte Kapitel dieser Arbeit ergänzt dieses Unterkapitel, indem es den gesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Frühpädagogik thematisiert. Im nachfolgenden Kapitel wird nun der Perspektivenwechsel der frühen Kindheit behandelt, indem das bisherige Verständnis von Kindheit dem aktuellen gegenüber gestellt wird.
2.3 Frühe Kindheit
„Der Lebensabschnitt ab der Geburt bis zum Eintritt in die Schule wird als Frühe Kindheit (Early Childhood) bezeichnet. Diese in etwa ersten sechs Lebensjahre unterteilen sich in die Phasen des Säuglingsalters (1. Lebensjahr), des Kleinkindalters (2. und 3. Lebensjahr) und des Kindergarten- bzw. Vorschulalters (4. bis 6. Lebensjahr)“[8] (Wagner o.A.).
Durch die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen hat sich heutzutage die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kinder schon von Geburt an eigenständige Subjekte mit spezifischen Kompetenzen sind (vgl. Maywald 2002, S. 39). Die Erkenntnisse der Säuglings- und Kleinkindforschung, der Hirn- und Sprachforschung und der Entwicklungspsychologie haben schließlich zu diesem Perspektivenwechsel der frühen Kindheit geführt. Die neuen Erkenntnisse führen „(...) zu einem Kind, das zunehmend eigenständiger die Welt erforscht, zu einem Kind also, das Fragen stellt und sich Hypothesen ausdenkt, die sich aus seinen vergangenen Erfahrungen herleiten; zu einem Kind, das Antworten sucht und dafür die sozialen und kulturellen Instrumentarien zu nutzen lernt, die ihm sein Umfeld zur Verfügung stellt“ (Schäfer 2012, S. 157). Fthenakis führt aus, dass das Kind nicht länger als Objekt der Bildungsbemühungen anderer gesehen wird, sondern als „(...) Subjekt im Bildungsprozess behandelt, als kompetent handelndes Wesen, das seine Entwicklung, sein Lernen und seine Bildung ko-konstruiert“ (Fthenakis 2003, S. 26). Darüber hinaus ändert sich auch die Rolle der Erwachsenen, sowohl der Erziehungsberechtigten als auch der Erzieher im kindlichen Bildungsprozess. Schäfer formuliert ihre Aufgabe wie folgt: „Sie werden heute weniger dazu gebraucht, den Kindern das Wissen vorzuordnen, das sie für die Bewältigung ihrer Zukunft zu benötigen scheinen, als dafür, dass sie ihnen den Rahmen vorstrukturieren, innerhalb dessen sie selbständig handeln und denken können“ (Schäfer 2012, S. 157).
Laut der Autorin Oberhuemer verschiebt sich das Bild des Kindes „(...) von einem unreifen, hilfsbedürftigen und erwachsenenabhängigen Wesen hin zu einer Sichtweise von Kindern als eigenständige Individuen mit großem Entwicklungspotenzial und als Träger eigener Rechte“ (Oberhuemer 2004, S. 370). Oberhuemer und Dahlberg geben einige Beispiele der früheren Verständnisse von Kindern wieder:
- Das Kind als „tabula rasa“, insofern als Rezipient und Reproduzent von Wissen und Kultur nach John Locke
- Das „unschuldige“ Kind nach Jean Jacques Rousseau
- Das biologische, „sich entwickelnde“ Kind, ohne Bezug zum jeweiligen sozialen und kulturellen Kontext nach Jean Piaget
- Das „objektivierte“ Kind der Entwicklungsdiagnostik
- Das „sozialisierungsbedürftige“ Kind der Sozialwissenschaften (vgl. ebd., S. 371; Dahlberg 2004, S. 18 ff.).
All diese Vorstellungen spiegeln das Kind als Objekt von Bildungsbemühungen seitens der Erwachsenen wieder. Dahlberg fasst zusammen: „Die bisherigen Bilder über Kinder (...) beschreiben ein sehr ‚armes’ Kind, schwach und passiv, unfähig und unterentwickelt, abhängig und isoliert“ (Dahlberg 2004, S. 27). Die Autorin sieht die Kinder und Pädagogen als „(...) aktive Co-Konstrukteure von Wissen und Kultur und als Bürger mit Rechten, Pflichten und Möglichkeiten“ (ebd.). Laut Oberhuemer besteht die Rolle des Pädagogen nun mehr „(...) in einer partnerschaftlichen Haltung, in der Erwachsene und Kinder mit Hilfe von relevanten Situationen, Ereignissen und Dingen gemeinsam Verständnis und Wissen konstruieren“ (Oberhuemer 2004., S. 373). Die Autorin Smith vertritt das Verständnis der Kindheitssoziologie: „Die Kindheitssoziologie betrachtet Kinder als unabhängige soziale Akteure, nicht als Noch-nicht-Erwachsene, die erst durch einen Prozess von Sozialisierung und Erziehung zum Erwachsenen werden (...) Der Blick richtet sich darauf, wie das individuelle Kind die Welt erlebt und versteht. Als Folge werden nun Kinder eher als Menschen verstanden, man begegnet ihnen mit Achtung und Anerkennung ihrer Fähigkeiten“ (Smith 2004, S. 76). Vertreter der Kindheitssoziologie hinterfragen normative Modelle, die darlegen, was Kinder wann können sollen und was nicht (vgl. ebd.). Kindheitssoziologen sowie Befürworter der Kinderrechte sehen die Kinder als eigentliche Akteure. Kinder sollen ihre eigene soziale Welt konstruieren und darüber hinaus als Personen geachtet werden, als Subjekte und nicht passiv von außen geprägte Objekte sozialer Überlegung bzw. Kontrolle. Die Kinder sind als Teilnehmer der sozialen Prozesse zu sehen (vgl. Freeman 1998, S. 436). Sowohl die Kindheitssoziologen als auch die Befürworter der Kinderrechte behandeln Kinder als Individuen und nicht als kollektive undifferenzierte Gruppe. Faktoren wie Geschlecht, Rasse und Ethnizität sowie die sexuelle Orientierung, Behinderung und weitere Faktoren sind somit von großer Bedeutung (vgl. Smith 2004, S. 77).
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Kindheit weltweit sehr verschieden gesehen und bewertet wird und somit eine kulturelle und gesellschaftliche Konstruktion darstellt. Laut Nutbrown gibt es „(...) eine ganze Reihe von Perspektiven über Kindheiten, Kinder und die Rechte der Kinder in unterschiedlichen sozialen Kontexten. Diese haben ihren Ursprung in individuellen Erfahrungen, Glaubens- und Wertesystemen. Weltweit wird Kindheit je nach Gesellschaft anders konstruiert“ (Nutbrown 2004, S. 121). Die Perspektive der frühen Kindheit bzw. das Bild des Kindes findet Beachtung in den Bildungsplänen der Bundesrepublik Deutschland und wird in Kapitel 2.5 erneut aufgegriffen und hinsichtlich des Bildungsverständnisses dargelegt. Das folgende Kapitel widmet sich dem Zusammenhang zwischen der frühkindlichen Bildungsforschung und der derzeitigen Bildungsdebatte.
2.4 Frühkindliche Bildungsforschung in Deutschland
„Durch die Erkenntnisse der Säuglings- und Kleinkindforschung, Entwicklungspsychologie, Hirnforschung und Sprachforschung hat die Idee vom Kind, das etwas kann und das seine Entwicklung, eingebettet in soziale und kulturelle Bezüge, in hohem Maße mitbestimmt, seit den 1990er Jahren neue Unterstützung bekommen“ (Schäfer 2014, S. 20).
Verschiedene Forschungsdisziplinen haben somit erheblich zu dem in Kapitel 2.3 behandelten Perspektivenwechsel der frühen Kindheit beigetragen. Im Folgenden sollen nun einige Erkenntnisse der Bildungsforschung in Deutschland erwähnt werden. Die Autorinnen Biedinger und Becker untersuchen in ihrer Studie den Einfluss des Vorschulbesuchs auf die Entwicklung und den langfristigen Bildungserfolg von Kindern. Dabei ließen sich mehrheitlich positive Einflüsse auf die Entwicklung feststellen, die teilweise mit langfristigen Bildungserfolgen einhergingen. Sie betonen allerdings den Aspekt, dass die Wirkung nicht unerheblich von der Qualität der vorschulischen Einrichtungen abhängig zu sein scheint[9] (vgl. Biedinger / Becker 2006). Es existieren laut Biedinger und Becker kaum Studien über den deutschen Vorschulbereich und dessen Wirkung, deswegen wurden hierzu Sekundärdaten herangezogen (vgl. ebd.). Laut den Autoren Fried und Voss besteht allgemein Einigkeit darüber, dass sowohl die Entwicklung als auch die Bildung von Kindern erheblich durch die Quantität und Qualität vorschulischer Erziehung geprägt ist (vgl. Fried / Voss 2010, S. 199 ff.). Internationale Wirkungsstudien belegen zudem empirisch konsistent die positive Wirkung der institutionellen Vorschulerziehung (vgl. Bergs-Winkels 2010, S. 18)[10]. Der Autor Nagel konstatiert: „Es gilt inzwischen als gesichert, dass eine längere institutionelle Kindbetreuung die Entwicklungschancen der Kinder und damit ihre Bildungsbiografie positiv beeinflusst“ (Nagel 2009, S. 12).
An dieser Stelle sollte man jedoch hinterfragen, an welchen Kriterien die Autoren die positive Wirkung festmachen. Wie wird Bildungserfolg in den vorliegenden Studien definiert bzw. woran wird dieser gewertet? Welches Bildungsverständnis vertreten die Studien? Diese und viele weitere Fragen können in Hinblick auf den Bildungsdiskurs gestellt werden. Der Bildungsdiskurs hat eine unglaubliche Tragweite in viele Richtungen. Zur Beantwortung dieser Fragen müssen die Studien näher betrachtet und daraufhin untersucht werden. Dies ist jedoch nicht Bestandteil dieser Abschlussarbeit. Dieses Kapitel soll lediglich den Zusammenhang zwischen Bildungsforschung und der derzeitigen Bildungsdebatte aufzeigen. Es soll die Reaktionen betrachten, die durch die Bildungsforschung ausgelöst wurden.
Die Autorin Berg-Winkels führt aus, dass die Bildungspläne der Bundesländer als Reaktion auf die eben genannten Forschungsergebnisse zu deuten sind: „Als Reaktion auf diese Forschungsergebnisse werden mittlerweile in allen Bundesländern Deutschlands Bildungsvereinbarungen getroffen, die auf die Verbesserung von Bildungsinstitutionen oder –programmen zielen und Inhalte der Förderungen im Elementarbereich festschreiben. Der Bildungsauftrag von vorschulischen Bildungsinstitutionen umfasst dabei die gesamte frühkindliche Phase, also die Bildung von Geburt an“ (Berg-Winkels 2010, S. 18). Die Bildungspläne der Bundesländer werden im nachfolgenden Kapitel 2.5 thematisiert. Als weitere Reaktion auf die vorliegenden Forschungsergebnisse, insbesondere von den internationalen Vergleichsstudien TIMSS, PISA und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), wurden 2003 die Bildungsberichte in Auftrag gegeben[11] (vgl. KMK 2003).
„Die Ergebnisse von PISA wirkten wie ein Schock: Fünfzehnjährige in Deutschland schneiden im internationalen Leistungsvergleich beim Lesen, in mathematischer und naturwissenschaftlicher Grundbildung schlecht ab, Deutschland liegt im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld (...) Diese wenig schmeichelhaften Ergebnisse der PISA-Studie haben eine intensive Bildungsdebatte ausgelöst, die längst überfällig war. Sie bezieht sich in einem umfassenden Sinne sowohl auf Bildung als auch auf die Institutionen der Bildung – das ist das Neue an dieser Debatte und darin liegt ein wichtiger Fortschritt im Vergleich zu früheren bildungspolitischen Debatten. Schule hat dabei einen prominenten, doch keineswegs exklusiven Stellenwert. Andere Orte der Bildung von Kindern und Jugendlichen sind längst genauso zu einem Thema und Gegenstand dieser Debatte geworden“[12] (Rauschenbach et al. 2004).
Die Institutionen von Bildung, zu denen auch mittlerweile die Kindertagesstätte durch ihren offiziellen Bildungsauftrag gezählt wird, wurden durch die Forschungsergebnisse zunehmend in den Fokus gerückt. Bei der Kindertagesstätte handelt es sich zwar um nicht-formelle Bildungsprozesse, dennoch sind die Institutionen der vorschulischen Bildung als Orte von Bildung anzusehen. Der rechtlich festgeschriebene Förderungsauftrag § 22 SGB VIII bestätigt dies (siehe Kapitel 2.1, 2.2, 3.1). Laut Fröhlich-Gildhoff gibt es in der Bildungsforschung „(...) einen Widerspruch zwischen innovativer, engagierter Praxis- und Programmimplementierung einerseits und einer fehlenden empirischen Absicherung der Wirkungen in der Praxis andererseits“ (Fröhlich-Gildhoff 2012, S. 39). Das Problem liegt zum Einen in der großen Komplexität des Gegenstandes, welches ein Grundproblem der Wirkungsforschung im sozialen Bereich ist. Zum Anderen bestand die frühpädagogische Bildungsforschung aus drei klassischen Forschungstraditionen:
- die entwicklungspsychologische Grundlagenforschung,
- die soziologische Kindheitsforschung
- und die elementarpädagogische Forschung, die sich jedoch vermehrt mit der Weiterentwicklung von pädagogischen Grundlagenkonzepten beschäftigte (vgl. ebd.).
Die Problematik lag darin, dass die drei Forschungstraditionen unverbunden nebeneinander standen. Es gab keine systematische empirische Bildungsforschung für den Bereich der Kinder unter sechs Jahren (vgl. ebd., S. 39 f). Mittlerweile hat sich in diesem Bereich etwas getan. Drei große large-scale-Studien, NEPS[13], NUBBEK[14] und BIKS[15] wurden in Deutschland realisiert, um diese Wissenslücke zu schließen. Nachfolgend sollen nun die Bildungspläne der Bundesländer hinsichtlich ihrer Bildungsverständnisse thematisiert werden, um sich anschließend den Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in Deutschland zu widmen.
2.5 Bildungspläne der Bundesländer
„Die bundesweite Einführung von Bildungs- und Erziehungsplänen im Elementarbereich stellt eine fundamentale Neuerung im Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland dar und ist der Bildungs- und Leistungsdebatte nach PISA geschuldet“ (Röhner 2014, S. 601). Der Beschluss der Kultus- und Jugendministerkonferenz zum „Gemeinsamen Rahmen für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ schaffte 2004 die Voraussetzungen für die Bildungs- und Erziehungspläne auf Bundesebene (vgl. JMK 2004, S. 39 ff.). Laut der Autorin Röhner wurde mit diesem Beschluss der maßgebliche politische Impuls gesetzt, der die Entwicklung von Kindertagesstätten zu Bildungseinrichtungen ermöglichte. Darüber hinaus wurde laut Röhner durch die Einführung der Erziehungs- und Bildungspläne die Bedeutung des Elementarbereichs als erste Bildungsstufe anerkannt (vgl. Röhner 2014, S, 601). Die Autorin führt aus: „Erstmals wurde in der Bundesrepublik Deutschland damit zwischen allen Bundesländern sowie zwischen dem Jugendhilfe- und Schulbereich eine verbindliche Vereinbarung über die Aufgaben der vorschulischen Bildung und Förderung getroffen“ (ebd.). Der gemeinsame Rahmen der Kultus- und Jugendministerkonferenz beinhaltet die Grundsätze der Bildungsarbeit in den vorschulischen Kindertageseinrichtungen, „(...) der durch Bildungspläne auf Länderebene konkretisiert, ausgefüllt und erweitert wird. Innerhalb des gemeinsamen Rahmens gehen die Länder eigene, den jeweiligen Situationen angemessene Wege der Ausdifferenzierung und Umsetzung“ (JMK 2004, S. 39).
Grundsätzlich lassen sich unterscheiden:
- Bildungspläne der ersten Generation, bei denen es um die Konkretisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages von Kindertageseinrichtungen ging - mit dem Ziel, eine höhere Bildungsqualität zu erreichen und bisher vernachlässigte Bildungsbereiche (z.B. mathematisch-naturwissenschaftliche und technische Bildung, Sprachförderung) zu beleben.
- Bildungspläne der zweiten Generation, bei denen eine größere Altersspanne (z.B. 0 bis 10 Jahre) und die in diesem Zeitraum bedeutsamen Übergänge beachtet werden und in denen nicht mehr auf die Kindertageseinrichtungen fokussiert wird, sondern alle Lernorte (Familie, Kindertagespflege, Schule, Medien, Peergroup usw.) Berücksichtigung finden[16] (Textor 2016).
Die Bildungspläne der ersten Generation konzentrieren sich darauf den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen für unter sechs Jahren zu konkretisieren und verbindlich festzulegen (vgl. Fthenakis 2007, S. 63 f.). Nach dem Beschluss der deutschen Jugendministerkonferenz sollten 2004 folgende sechs Bildungsbereiche einem vorschulischen Bildungsplan zugrunde gelegt werden:
a) Sprache, Schrift, Kommunikation
b) Personale und soziale Entwicklung
c) Mathematik, Naturwissenschaft, (Informations-)Technik
d) Musische Bildung – Umgang mit Medien
e) Körper, Bewegung, Gesundheit
f) Natur und kulturelle Umwelten (Nagel 2009a, S.15).
Ein Nachteil der Bildungspläne der ersten Generation besteht darin, dass diese sich zu sehr an der Struktur des Bildungssystems orientieren. Sie stellen die Kinder zwar in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen, jedoch bleibt eine Individualisierung ihrer Lernprozesse nahezu ausgeschlossen. Die Forderung der meisten deutschen Bildungspläne liegt weiterhin im Programmatischen. Es wird nicht zwischen Lernfeldern und den zu stärkenden Kompetenzen des Kindes unterschieden, dementsprechend bleiben informelle Bildungsprozesse unberücksichtigt (vgl. ebd., S. 15 f.). Es finden sich auch in der Namensgebung der Bildungspläne Unterschiede. An dieser Stelle sollen nur einige genannt werden. Es gibt den Bayerischen Erziehungs- und Bildungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung, die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, das Berliner Bildungsprogram für Kitas und Kindertagespflege sowie den Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen etc.[17] (vgl. Bildungsserver 2017). Der Autor Nagel erklärt dies wie folgt: „Hinter diesen Bezeichnungen liegen unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Art der Steuerung dieses Bildungsbereichs“ (Nagel 2009a, S. 16). Nach Nagel dienen die Bildungspläne „(...) einmal als Instrument zur Sicherung von Bildungsqualität und/oder als Innovationsansatz, zum anderen als Instrument zur Steuerung des Bildungssystems und des Bildungsverlaufs“ (ebd.). Bodenburg und Kollmann begründen die verschiedenen Bezeichnungen der Bildungspläne wie folgt:
„Jedes Bundesland wählte für seine Richtlinien eine andere Bezeichnung, die auch auf seine besondere Charakteristik hinweist. So gibt es beispielsweise einen verbindlichen ‚Bildungs- und Erziehungsplan’ in Bayern, einen ‚Orientierungsplan für Bildung und Erziehung’ als Vereinbarung der Landesregierung mit Kommunalen Landesverbänden in Baden-Württemberg und Grundsätze zur verbindlichen Umsetzung mit einer ‚Qualitätsentwicklungsvereinbarung’ im Berliner Bildungsprogramm (...) Fünf Bundesländer erklären ihre Leitlinien mit der Einführung für verbindlich; in den anderen Bundesländern gibt es Angaben zur Selbstverpflichtung auf der Grundlage des jeweils gültigen Kindertagesgesetzes“ (Bodenburg / Kollmann 2009, S. 22).
Alle Bildungspläne der ersten Generation beschränken sich auf den institutionellen Rahmen hinsichtlich ihres Geltungsbereiches.
Die Bildungspläne der zweiten Generation stellen nicht die Bildungsinstitution, sondern das Kind in den Vordergrund. Darüber hinaus sind die Bildungspläne institutionenübergreifend, lernortorientiert und die Bildungsprozesse werden individuell auf das Kind hin ausgerichtet (vgl. Nagel 2009a, S. 17). Nagel betont, dass die Prinzipien der Pläne der zweiten Generation am konsequentesten in Hessen und Thüringen umgesetzt werden: „Sie sind institutionenübergreifend und für den vorschulischen und schulischen Bereich gültig (von 0 bis 10 Jahren), in Thüringen explizit auch für die Kindertagespflege“ (ebd., S. 17 f.). Die Pläne der zweiten Generation akzentuieren folgende Basiskompetenzen:
- Stärkung lernmethodischer Kompetenz: Kompetenzen, die den Erwerb von Wissen fördern. Hierzu werden Formen von Metakognition und Selbststeuerung eingesetzt sowie Reflexion.
- Stärkung der Widerstandsfähigkeit (Resilienz), in anderen Worten, die Stärkung der Kompetenz im Umgang mit Veränderung und Belastung.
- Positiver Umgang mit Diversität: beinhaltet das Verständnis von und den Umgang mit Differenz. Vielfalt wird als Chance und Gewinn betrachtet. Unterschiede, die sich aus einer erweiterten Altersmischung, Geschlecht, kulturellen bzw. sozialen Hintergründen sowie aus besonderen Bedürfnissen (Kinder mit Entwicklungsdefiziten sowie hochbegabte Kinder etc.) ergeben, werden für gemeinsame Lernerfahrungen genutzt.
- Stärken des Kindes betonen: bisher ging es um die Identifizierung und Beseitigung bzw. Kompensation kindlicher Schwächen. Im Gegensatz hierzu sollen nun in erster Linie die Stärken des Kindes hervorgehoben werden. Sie sollen erkannt und weiterführend gestärkt werden, damit das Kind ein positives Selbstbild entwickeln kann und in schwierigen Situationen weiß, seine Stärken gezielt einzusetzen (vgl. ebd., S. 18 ff.).
Bei den vorgetragenen Punkten handelt es sich um thematische Schwerpunkte der neuen Bildungspläne. Bodenburg und Kollmann äußern bezugnehmend auf die thematische Ausarbeitung der Bildungspläne folgende Kritik: „Obwohl es inzwischen selbstverständliches Wissen ist, dass die Grundlagen für das Lernen in der Zeit vor und in den ersten drei Jahren nach der Geburt entstehen, fehlt in allen Bildungsplänen ein differenziertes Eingehen auf den speziellen Arbeitsbereich der unter Dreijährigen und deren primäres soziales Umfeld“ (Bodenburg / Kollmann 2009, S. 23). Ein weiterer Kritikpunkt kann laut Nagel darin gesehen werden, dass die Bundesländer es nicht geschafft haben „(...) sich bundeseinheitlich bei der Umsetzung auf gemeinsame Grundlinien zu verständigen“ (Nagel 2009b, S. 195). Das führt zu verschiedenen Auffassungen darüber, wie Bildung und Bildungsprozesse stattfinden sowie zu Differenzen, was die Formulierung der Bildungsziele und der zugehörigen Altersspanne angeht. Gemeinsamkeiten finden sich im allgemeinen Verständnis von Kind bzw. Kindheit und in den gewählten Lern- und Erfahrungsbereichen. Allen Plänen liegt das Verständnis zugrunde, dass Entwicklungsfortschritte nicht im Vergleich mit anderen Kindern gesehen werden, sondern individuell betrachtet und bewertet werden (vgl. ebd.). Die Autorin Röhner betont die verschiedenen Ausrichtungen der Bildungspläne:
„Ein Teil der Bildungspläne richtet sich an einem modifizierten Situationsansatz aus (z.B. Berlin, Hamburg, Saarland) und betont das Lernen in sozialen Kontexten und Bezügen. Ein konkurrierendes Konzept, das die Bedeutung frühen Lernens in zentralen fachlichen Domänen akzentuiert, ist im Bayrischen Bildungs- und Erziehungsplan verwirklicht, der erstmals ein ko-konstruktives Verständnis frühkindlicher Bildung in Anlehnung an den internationalen frühpädagogischen Diskurs entwickelte (...) Neben dem modifizierten Situationsansatz und dem neuen ko-konstruktivistischen Ansatz frühkindlicher Bildung ist der Selbstbildungsansatz weiterhin in der curricularen Konzeption einzelner Bildungs- und Erziehungspläne repräsentiert“ (Röhner 2014, S. 603).
Die Autorin verweist darauf, dass je nach Autorengruppe unterschiedliche frühpädagogische Konzeptionen erkennbar und vielfach auch Mischformen vorhanden sind (vgl. ebd.). Der Autor Nagel erläutert zum Bildungsverständnis der Bildungspläne Folgendes: „Allen Bildungsplänen liegt ein Bildungsverständnis zugrunde, dass der Bildungsprozess des Kindes ein Selbstbildungsprozess ist, in dem das Kind sich seine Welt selbständig konstruiert. Kinder erwerben ihr Wissen von der Welt und ihre Fähigkeiten, indem sie die Welt neugierig erforschen“ (Nagel 2009b, S. 195). Unterschiede gibt es lediglich in der Ausrichtung und Gestaltung der Lern- und Bildungsprozesse. Der Autor führt aus: „Der kleinere Teil der Pläne betont das Eigenständige des selbständigen, konstruktiven Lernprozesses, der auf Beobachten, Erkunden und Erprobung beruht, der selbstgesteuert, aus eigener Sicht und Motivation geschieht, mit der freien Entscheidung, ob andere Personen einbezogen werden sollen oder nicht“ (ebd.). Andere Personen sollen so wenig wie möglich in den Bildungsprozess eingreifen. Diesem Ansatz steht der ko-konstruktivistische gegenüber, der laut Nagel in der Mehrzahl der Pläne vorhanden ist. Der ko-konstruktivistische Ansatz betont, „(...) dass kindliche Lernprozesse in den meisten Fällen im sozialen Kontext stattfinden und die Konstruktion der kindlichen Welt auch mit der Unterstützung von bzw. der Auseinandersetzung mit anderen Personen geschieht. Dem pädagogischen Personal bzw. den Erwachsenen kommt hier explizit eine pädagogische Verantwortung zu“ (ebd.). Der zentrale Unterschied zwischen dem Selbstbildungs- und dem ko-konstruktivistischem Ansatz liegt in der Haltung des pädagogischen Fachpersonal bzw. der Erziehungsberechtigten zum Kind. Der ko-konstruktivistische Ansatz spricht dem Erwachsenen Verantwortung zu.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Lern- und Bildungsprozesse aussehen bzw. vonstattengehen in Hinblick darauf, wie sie insbesondere von außen gestaltet werden sollen. Inwieweit sollen die Bildungsprozesse sich durch selbstinitiierte Aktivitäten des Kindes auszeichnen und fremd-initiierte Anregungen zugelassen bzw. bewusst genutzt werden, um den Bildungsprozess zu gestalten? Die zwei Ansätze präferieren jeweils eine unterschiedliche Vorstellung davon, wie die Bildungsprozesse gestaltet werden sollen. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei vielen Bildungsplänen um Mischformen der verschiedenen pädagogischen Ansätze. Einige Aspekte werden erneut in Kapitel 5 aufgegriffen und thematisiert.
Das dritte Kapitel wird nun die Rahmenbedingungen frühkindlicher Bildung darlegen, die neben der Kindertagesstätte als institutionelle Betreuungsform auch die Kindertagespflege als private Form beinhaltet. Es werden somit verschiedene Formen und Institutionen vorschulischer Erziehung, Bildung und Betreuung vorgestellt.
3. Die Kindertagesbetreuung in Deutschland
Eltern haben grundsätzlich das Recht, zwischen den verschiedenen Leistungen der Kinderbetreuung zu wählen, insofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist (vgl. § 5 SGB VIII). Das bedeutet, dass sie grundsätzlich zwischen Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege wählen dürfen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) formuliert in § 22 die Grundsätze der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege und definiert beide Formen wie folgt:
„(1) Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden. Kindertagespflege wird von einer geeigneten Tagespflegeperson in ihrem Haushalt oder im Haushalt des Personensorgeberechtigten geleistet. Das Nähere über die Abgrenzung von Tageseinrichtungen und Kindertagespflege regelt das Landesrecht (...)“ (§ 22 SGB VIII Absatz 1).
Bereits durch den § 1 Absatz 1 SGB VIII hat jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und zudem auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (vgl. § 1 SGB VIII Ansatz 1). Dieser Leitsatz zieht sich durch das gesamte SGB VIII und formuliert demnach auch den Rechtsanspruch für die Kinder einer Kindertageseinrichtung. Die Förderung und Erziehung werden somit nicht nur von den Eltern übernommen, sondern auch von den jeweiligen Fachkräften der Einrichtung.
In den letzten Jahren wurden einige Änderungen im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vorgenommen, bewirkt wurden diese durch die Verabschiedung vom Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG), dem Kinder- und Jugendhilfeerweiterungsgesetz (KICK) im Jahre 2005 sowie durch die Einführung des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) im Dezember 2008. Der daraufhin neu formulierte § 22 SGB VIII beinhaltet für Tageseinrichtungen und Kindertagespflege in gleichermaßen einen Förderungsauftrag:
„(3) Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen“ (§ 22 SGB VIII Absatz 3).
Zudem ist der § 24 SGB VIII ab dem 1. August 2013 neu in Kraft getreten. Dieser regelt, wann ein Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege besteht. Aufgrund dieser Änderung besteht nun ein Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung bereits ab dem vollendeten ersten Lebensjahr (vgl. § 24 SGB VIII Absatz 2). Zuvor richtete sich der Förderanspruch nach dem Bedarf des Kindes bzw. der Erziehungsberechtigten, wenn dieser für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit erforderlich war und die Erziehungsberechtigten einer Erwerbstätigkeit nachgingen, diese aufnahmen bzw. arbeitssuchend waren (vgl. § 24 SGB VIII Absatz 3 bis zum 31.07.2013). Darüber hinaus gibt es den gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. Der Beschluss der Kultus- und Jugendministerkonferenz am 03. und 04.06.2004 beinhaltet die Grundsätze der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen und wird durch die Bildungspläne auf Landesebene konkretisiert, ausgefüllt und erweitert[18] (vgl. KMK 2004). Nachfolgend wird die Kindertagesstätte als institutionelle Form der Kindertagesbetreuung vorgestellt.
3.1 Die Kindertagesstätte als institutionelle Betreuungsform
Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und gewährleisten ebenso wie die Kindertagespflege die Kindertagesbetreuung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die Kinder verbringen einen Teil des Tages oder den ganzen Tag in einer Kindertageseinrichtung und werden dort in Gruppen gefördert. Die in einer Kindertageseinrichtung tätigen Erzieherinnen und Erzieher arbeiten anhand von pädagogischen Konzepten und stehen bezüglich der Erziehung, Bildung und Betreuung in Austausch mit den Erziehungsberechtigten (vgl. Frühe Chancen 2016)[19].
Es gibt verschiedene Träger von Kindertageseinrichtungen. Dazu zählen öffentliche Träger, freie Träger mit gemeinnützigem Hintergrund, privatgewerbliche Träger und sogenannte Betriebs- bzw. Unternehmenskindertageseinrichtungen. Träger öffentlicher Kindertageseinrichtungen sind die jeweilige Kommune, also die Landkreise und kreisfreien Städte. Kindertageseinrichtungen freier Träger unterteilen sich hingegen in kirchliche Träger und Träger der freien Wohlfahrt (vgl. Textor o.A)[20]. Tageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sind an eine Kirchengemeinde angebunden und arbeiten nach Erziehungskonzepten, die christliche Werte und Normen beinhalten. Zu den freien großen Wohlfahrtsverbänden zählen:
[...]
[1] Der vorliegende Begriff beinhaltet alle vorliegenden Formen der institutionellen Kindertagesbetreuung in Deutschland. Siehe hierzu auch Kapitel 3.
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beide Geschlechter.
[3] vgl. http://www.kindergartenpaedagogik.de/1951.html, Stand: 2016, abgerufen am 31.01.17.
[4] https://issuu.com/caritas.luxembourg/docs/konzept_welt-atelier, Stand: 2011, abgerufen am 06.02.17.
[5] http://www.jugend.rlp.de/fileadmin/downloads/bildung/zwoelfter-kjb.pdf, Stand: 2005, abgerufen am 10.02.17.
[6] http://www.kindergaerten-bw.de/site/pbs-bw-new/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/Projekte/kindergaerten-bw/Oplan/Material/KM-KIGA_Orientierungsplan_2011.pdf, Stand: 2011, abgerufen am 27.02.17.
[7] https://www.oecd.org/germany/33684930.pdf, Stand: 2001, abgerufen am 02.03.17.
[8] http://www.kindergartenpaedagogik.de/2071.html, Stand: o.A., abgerufen am 03.04.17.
[9] http://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/wp/wp-97.pdf, Stand: 2006, abgerufen am 23.03.17.
[10] Die Autorin bezieht sich hierbei auf folgende Studien: British Cohort Studies, Carolina Abecederian Study, Early Childhood Longitudinal Study, Effective Provition of Pre-School Education Project, European Child Care and Education Study, Head Start Family and Child Experiences Survey, High/ Scope Perry Preschool Project, National Longitudinal Survey of Children and Youth, NICHD Study of Early Child Care, Study of Cost, Quality and Child Outcomes in Child Care Centers.
[11] http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_01_01-Bildungsbericht-erste-Befunde.pdf, Stand: 2003, abgerufen am 10.04.17.
[12] http://www.akjstat.tu-dortmund.de/fileadmin/Weiterfuehrende_Links/nonformale_und_informelle_bildung_kindes_u_jugendalter.pdf, Stand: 2004, abgerufen am 07.04.17.
[13] https://www.neps-data.de/de-de/projektübersicht.aspx, Stand: o.A., abgerufen am 11.04.17.
[14] http://www.nubbek.de, Stand: o.A., abgerufen am 11.04.17.
[15] https://www.uni-bamberg.de/biks/, Stand: 2017, abgerufen am 11.04.17.
[16] http://www.kindergartenpaedagogik.de/1951.html, Stand: 2016, abgerufen am 06.04.17.
[17] http://www.bildungsserver.de/Bildungsplaene-der-Bundeslaender-fuer-die-fruehe-Bildung-in-Kindertageseinrichtungen-2027.html, Stand: 2017, abgerufen am 15.04.17.
[18] http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf, Stand: 2004, abgerufen am 01.12.16.
[19] vgl.http://www.fruehe-chancen.de/themen/kinderbetreuung-international/bildungs-und-betreuungssysteme/das-bundesdeutsche-system/das-bundesdeutsche-system/, Stand: 2016, abgerufen am: 01.12.16.
[20] vgl. http://www.kindertagesbetreuung.de/formen.html, Stand: o. A., abgerufen am 01.12.16.
Schlagworte:
lit-2017_buch, Masterarbeit,
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ID: 5332 | hinzugefügt von Jürgen an 14:54 - 18.4.2020 |
title: Daher muss die Schule nicht so oder so sein ... by Meyer, Paul Michael ch |
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Titel: | Daher muss die Schule nicht so oder so sein ... |
Autor: | Meyer, Paul Michael ch | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160 S. 30 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
Daher muss die Schule nicht so oder so sein,
sie muss so u n d so sein,
und die eine Schule so und die andere so.
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
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ID: 4974 | hinzugefügt von Jürgen an 05:38 - 19.7.2017 |
title: Die Schule ist ein Schlachtfeld by Meyer, Paul Michael ch |
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Titel: | Die Schule ist ein Schlachtfeld |
Autor: | Meyer, Paul Michael ch | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 35 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
Die Front der Erwachsenen ist
aufgebrochen. Gingen früher Eltern
und Lehrer geschlossen gegen die
Kinder vor geraten heute auch
Erwachsene zwischen die Fronten.
Seither gibt es Opfer auf beiden
Seiten.
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
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ID: 4975 | hinzugefügt von Jürgen an 05:41 - 19.7.2017 |
title: Inhaltsangabe FuV 160 by o.A. |
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Titel: | Inhaltsangabe FuV 160 |
Autor: | o.A. | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 4 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
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Text:
-
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
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ID: 4966 | hinzugefügt von Jürgen an 05:11 - 19.7.2017 |
title: ... und wo bleibe ich? Coaching-Seminare für Lehrer by Opitz, Anette; Wekle, Julia; Wynhoff, Maria |
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Titel: | ... und wo bleibe ich? Coaching-Seminare für Lehrer |
Autor: | Opitz, Anette; Wekle, Julia; Wynhoff, Maria | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 47 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
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Text:
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Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
summary:
Seminarangebote
keine Notizen verfügbar
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ID: 4980 | hinzugefügt von Jürgen an 05:56 - 19.7.2017 |
title: Vom Klassenraum zur Lernlandschaft. Entwicklung eines Unterrichtskonzeptes im Fach Wirtschaft, Arbeit und Technik by Pötting, Silke |
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Titel: | Vom Klassenraum zur Lernlandschaft. Entwicklung eines Unterrichtskonzeptes im Fach Wirtschaft, Arbeit und Technik |
Autor: | Pötting, Silke | Sprache: | deutsch |
Quelle: | München, Grin | Quellentyp: | Monographie |
veröffentlicht am: | DD.MM.2017 | | |
url: | |
Text:
Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aktualität und Forschungsstand
1.3 Zielsetzung und Vorgehen
1.4 Methodik: Handlungsorientiertes Lernen
2 Lernform
2.1 Grundlagen des handlungsorientierten Unterrichts
2.1.1 Begründung für den handlungsorientierten Unterricht
2.1.2 Anforderungen an die Lehrkraft
2.1.3 Anforderungen an den Raum
2.2 Umsetzung im WAT-Unterricht
2.2.1 Rahmenlehrplan des Unterrichtsfachs WAT
2.2.2 Unterrichtsplanung
2.3 Die Projektarbeit
3 Schulräume und Pädagogik - Ein knapper historischer Überblick
3.1 Geschichte der Schulgebäude
3.1.1 Mittelalter
3.1.2 Reform beweg и ng
3.1.3 Zeit der Aufklärung
3.1.4 Ende des 19. Jahrhunderts ״Neue“ Reformer
3.1.5 Die Wilhelminische Epoche
3.1.6 Nach dem Ersten Weltkrieg
3.1.7 Nach dem Zweiten Weltkrieg
3.2 Ausrichtung und Maße des Klassenraums
3.3 Das Mobiliar der Klassenräume
4 Räumliche Anforderungen der Ganztagsschule
4.1 Sozialformen des Lernens und ihre Anforderungen an den Raum
4.2 Die pädagogische Bedeutung der Raumgestaltung
4.3 Lebensorte״ .7.
4.4 Die Lernlandschaft als Ort des Lernens und der Freizeit
5 Realisierte Vorhaben
5.1 Erika-Mann-Grundschule, Schulumbau
5.1.1 Umgestaltung als gemeinsames Projekt
5.1.2 Flure als Lernorte
5.1.3 Brandschutz und Fluchtwege
5.2 Comenius-Schule, Klassenumbau
5.2.1 Lernformen und Raummöblierung
5.2.2 Gemeinsame Planung und Bau, Sicherheit
5.2.3 Erfahrung von Lehrern und Schülern mit dem Lernort
5.2.4 Finanzierung
6 Konzept für ein Unterrichtsprojekt ״Umbau des Klassenzimmers zur Lernlandschaft“ ”.
6.1 Problemstellung und Ablauf
6.1.1 Pädagogisch-methodische Ausführung
6.1.2 Umsetzung des multifunktionalen Podests
6.1.3 Finanzierung
6.1.4 Nachhaltigkeit
7 Fazit
8 Anhang praktische Umsetzung
1 Einleitung
Seit dem Jahr 2003 findet der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen statt. Dies war anfangs eine direkt einsetzende Reaktion auf das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler bei der ersten PISA-Studie 2001. Auf der Suche nach den Ursachen zeigten sich zwischen den PISASpitzenländern und Deutschland das mehrgliedrige Schulsystem und die Halbtagsschule als die zentralen schulorganisatorischen Unterschiede (vgl. Erdsiek-Rave, 2013, s. 11).
Die folgende Zunahme von Lernzeit und veränderte Lernarrangements, die Verstärkung der individuellen Förderung, die Schaffung neuer Sozialräume, die Bereitstellung qualifizierter Betreuungsformen sind für den Ausbau der Ganztagsschulen eine große Herausforderung. Das betrifft nicht nur organisatorische Fragen, sondern auch ihre baulichen Konsequenzen. Wie müssen Räume beschaffen sein, um sowohl den veränderten Lernformen als auch einem Anspruch von Schule als Lebensort gerecht zu werden? Da nicht überall neue Schulgebäude errichtet werden können, impliziert dies auch die Frage: Wie kann eine Schule, die als Halbtagsschule geplant wurde, mit dem gleichen Raumkonzept als ganztägige Schule organisiert werden?
Da sich die Aufenthaltsdauer von Schülerinnen und Schülern in der Schule verlängert hat, werden in der Ganztagsschule die vorhandenen Räume häufiger und multipler genutzt. Der Klassenraum ist vom Mobiliar, der Farbgebung, dem Licht und der Akustik abhängig und auch veränderbar, um der Umsetzung der Lernarrangements dienen zu können.
Wie können solche Veränderungen aussehen? Gemäß dem Konzept des handlungsorientierten Unterrichts sollten die Schülerinnen und Schüler selbst maßgeblich an der Umgestaltung ihrer Räume mitwirken. Die vorliegende Arbeit stellt exemplarisch ein fachdidaktisches Konzept vor, wie bestehende Räume gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern für die veränderten Anforderungen optimiert werden können. Gewählt wurde hierfür das Unterrichtsfach Wirtschaft - Arbeit - Technik, kurz WAT. In dem fachdidaktischen Konzept ״Umbau des Klassenzimmers zur Lernlandschaft“ geht es darum, dass die Lernenden in der Holzwerkstatt Mobiliar entwerfen und herstellen, das aus einem Klassenraum eine Lernlandschaft werden lässt.
1.1 Problemstellung
Angesichts der mit der Gesamtschule auftretenden neuen Anforderungen ist Schule als Lern- und Lebensort neu zu beschreiben. Diese Beschreibung orientiert sich im Folgenden an den Fragen:
Welches sind die neuen und alten Lernformen, die in einer heutigen Ganztagsschule praktiziert werden? Wie wird der heutige Unterricht ausgerichtet? Welches sind die Themen, die neben dem Unterricht in der Schule stattfinden sollen, weshalb man sie mit dem Begriff Lebensort bezeichnet? Prinzipiell handelt es sich bei den neuen Anforderungen zum einen um veränderte Lernarrangements und zum anderen um die ganztägige Nutzung der Schulräume.
Die Veränderung der Lernarrangements resultiert vor allem aus der Stärkung des handlungsorientierten Unterrichts, der darauf abzielt, dass die Schüler und Schülerinnen handelnd die Kompetenz zur Veränderung der Umwelt entwickeln.
Die zweite Anforderung bedeutet zunächst: Da die Lernenden nun längere Zeiten in der Schule verbringen, erfahren Räume, die bisher nur halbtägig genutzt wurden, eine häufigere und multiplere Nutzung. Dabei müssen sie nun unterschiedlicheren Bedürfnissen zwischen den beiden Polen Individualität und Gemeinschaft gerecht werden, müssen neben dem ihrer Bedeutung als Unterrichtsraum ebenso als Rückzugsmöglichkeit zum Ausruhen und Chillen funktionieren wie als Raum zum Kommunizieren mit andern und zum Austausch in der Gruppe.
Demzufolge gilt es einen neuen Begriff des Klassenraumes zu entwickeln.
1.2 Aktualität und Forschungsstand
Aufgrund steigender Schülerzahlen beriefen im September 2016 die Berliner Bildungssenatorin und die Berliner Stadtentwicklungssenatorin eine Facharbeitsgruppe für Schulraumqualität ein. Die Arbeitsgruppe formulierte die Notwendigkeit der räumlichen Voraussetzungen für eine modernere Pädagogik, die für eigenständigen Kompetenzerwerb und individuelles Lernen steht. Und für eine Bildung, die durch differenzierte Förderung der individuellen Begabungen und Interessen Potenziale und Begabungen aller Schülerinnen und Schüler fördert.
Der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesfamilienministerium formuliert, dass die Schule als Lern- und Lebensort durch den längeren Aufenthalt der Schülerinnen und Schüler in der Schule von der Familie vielfältige Erziehungs- und Bildungsbereiche übernimmt (BMFSF, 2005, s. 4f). Der genannte Beirat betont in diesem Zusammenhang insbesondere die Bedeutung des Aufbaus und der Sicherung von persönlichen Beziehungen sowohl zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften als auch der Lernenden untereinander.
Die Berliner Facharbeitsgruppe betont, dass sich aus den neuen Anforderungen an die Schulen auch bauliche Flerausforderungen ergeben:
״Daraus ergeben sich völlig neue pädagogische und architektonische Erfordernisse, die naturgemäß mit einem gewissen Flächenzuwachs verbunden sein müssen.“ (Facharbeitsgruppe Schulraumqualität 2017, s. 2)
Über den Zusammenhang zwischen Lernen und Raum gibt es umfangreiche Forschung. Ein aktuelles Konzept sieht im Neubaubereich die Schaffung von familiär wirkenden sogenannten Lern- und Teamhäusern vor. Doch es können nicht nur neue Schulen gebaut werden und so ist auch im Bestand ein großer Flandlungsbedarf zu erkennen. Denn der Raum ist die Rahmenbedingung für das Lehren und Lernen. Er muss die Beziehung von Lehrkraft und Schülerinnen und Schüler mit Aspekten von Sicherheit, Wohlbefinden, sozialen Kontakten ermöglichen und unterstützen. Ein maßgebliches Bedürfnis der Jugendlichen ist es, Individualität und Identität sowie Verhaltenssicherheit zu gewinnen (Rughöft 1992, s. 82). Auch ihm müssen Räume entsprechen.
1.3 Zielsetzung und Vorgehen
In der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die für den handlungsorientierten Unterricht kennzeichnenden veränderten Lernarrangements mit den Sozialformen der Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit beschrieben werden. Anschließend geht es darum, die Bedeutung von Schule als Lebensort sowie die damit zusammenhängenden erweiterten Nutzungsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in der Ganztagsschule zu umreißen. Aus diesen Beobachtungen sollen die veränderten Raumanforderungen abgeleitet werden.
Auf dieser Grundlage wird ein fachdidaktisches Konzept für die Optimierung der Räume mit geringen Mitteln vorgeschlagen, bei dem der Akzent auf der Initiative der Schülerinnen und Schüler liegt, die eigenverantwortlich und zielorientiert ihre Räume gestalten.
1.4 Methodik: Handlungsorientiertes Lernen
Das fachdidaktische Konzept für die Optimierung vorhandener Räume zielt darauf ab, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zunächst einen Entwurf für die Umgestaltung eines Raums zu entwickeln und diesen anschließend umzusetzen. Das didaktische Prinzip ist also das Prinzip der Selbsttätigkeit, es zielt auf die Eigenaktivität des Lernenden ab. In Bezug auf das inhaltliche Ziel heißt das konkret, dass sich die Schüler und Schülerinnen ihre Räume selbst aneignen.
Um den Umfang des Projekts zu begrenzen, geht es im Folgenden allein um eine Veränderung des Mobiliars. Dieses bildet jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der Veränderbarkeit der Räume. Im Anschluss an die Darstellung der praktischen Umsetzung wird eine Aufstellung von anderen Raumkriterien wie Lichtgestaltung, ansprechende Farbgebung, Akustik und Raum luft, angeboten, die den Gegenstand neuer Projekte im WAT-Unterricht bilden könnten.
2 Lernform
2.1 Grundlagen des handlungsorientierten Unterrichts
Die Idee des handlungsorientierten Unterrichts geht auf die Reformpädagogik
zurück und lässt sich zunächst mit einem Satz von Gaudig1 zusammenfassen: ״Es kommt darauf an, den Schüler aus dem Passivum in das Aktivum zu übersetzen“ (Gudjons 2014, s. 8). Historisch gehen handlungsorientierte
Ansätze gemäß Gudjons noch weiter zurück auf die Industrieschulen des 18. Jahrhunderts, insbesondere auf Pestalozzis Gedanken, dass man mit ״Kopf, Herz und Hand“ lernen müsse. Generell geht es um den handelnden Umgang mit Gegenständen zum Lernen, die einen klaren Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler aufweisen. Eindeutige Konturen fehlen dem pädagogischen Konzept des handlungsorientierten Unterrichts jedoch bis heute. So wird von verschiedenen Autoren ein Theoriedefizit beklagt (Gudjons 2016, s. 7). Ähnliche Ansätze wie Offener Unterricht, Freiarbeit, Projektarbeit, entdeckender Unterricht u. a. sind damit nicht leicht vom handlungsorientierten Unterricht abzugrenzen. Fest steht jedoch, dass die Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler mit ihren Sinnen bei der ״Auseinandersetzung und aktiven Aneignung eines Lerngegenstandes“ (Gudjons 2014, s. 8) im Zentrum des Unterrichts stehen soll.
Seit ungefähr dreißig Jahren findet demnach ein Paradigmenwechsel in der allgemeinen Didaktik, von der Vermittlungsdidaktik über die handlungsorientierte Didaktik zur Autodidaktik (selbstgesteuertes Lernen) statt (vgl. Bösch 2006, s. 166 f.; Riedel 2010, s. 205), was innerhalb der Wissenschaft als konstruktivistische Didaktik bezeichnet wird: Lernen wird demnach als Prozess der Selbstorganisation des Wissens verstanden. Dabei sind selbstgesteuertes Lernen und handlungsorientiertes Lernen in ihren Merkmalen eng verwandt. Die Herausforderung des Unterrichts besteht darin, Individualität des einzelnen Kindes durch ein vielfältiges Angebot gerecht werden, so dass es die Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernehmen kann. Das selbstgesteuerte Lernen verläuft in der Schule nie völlig unabhängig, da fremde Einflüsse vor allem in Form des Lehrplans und didaktischer Entscheidungen für die Unterrichtsgestaltung unvermeidbare Eckpfeiler sind. Daher lässt sich im Unterricht nur phasenweise das selbstgesteuerte Lernen praktizieren.
Der Grad der Selbststeuerung steigt damit, dass Entscheidungen und Aktivitäten auf die Lernenden übertragen werden (vgl. Riedel 2010, s. 208). Riedel differenziert dies in fünf Punkten:
Weitere Autoren, die zu dem Konzept des handlungsorientierten Lernens beigetragen haben, sind der Physiker und Pädagoge Martin Wagenstein (1896-1988) mit seinen naturwissenschaftlichen ״Lehrstücken“, die sich an den Erkenntnisfindungsweg großer Forscher anlehnen, oder Bruner, der in den 1970er Jahren die Idee des ״entdeckenden Lernens“ und des eigenständigen Problemlösens entwickelte.
- Lernzielbestimmung: Wer bestimmt den Lernbedarf und die Auswahl von Lernzielbestimmungen?
- Lernkoordination: Durch wen entsteht die Abstimmung des Lernens in der Schule mit anderen Tätigkeiten und Anforderungen?
- Lernorganisation: Wer trifft Entscheidungen über den Lernort, Lernzeitpunkt, Lernstrategie, Verteilung der Lerninhalte oder Lernpartner?
- Lernkontrolle: Durch wen wird der Zuwachs an Lernerfolg diagnostiziert? Inwieweit können Lernende Kontrolle über ihr Lernergebnisse bekommen?
- Selbstwahrnehmung: Wie können Lernende ihre Selbstständigkeit im Verlauf des Lernens erfassen, erläutern und empfinden?
Lautet die Antwort auf die genannten Fragen, dass es die Schülerinnen und selbst sind, die diese Aufgaben übernehmen, so kann man nach Meyer (1978) von einem hohen Ausmaß an Schülerselbsttätigkeit sprechen (siehe Abb. 4).
Ein Idealbild von selbstgesteuertem Lernen (Riedel) entsteht demnach, wenn Lernende
- sich Lernziele setzen und die eigenständige Zielerreichung planen,
- eigenaktiv ihre Lernbedürfnisse erkennen,
- verschiedene Formen der Unterstützung nutzen,
- geeignete Hilfsmittel auswählen,
- ihren eigenen Lernprozess verfolgen,
- eigene Unzulänglichkeiten sachlich bewerten,
- ein positives Selbstbild durch erkannte eigene stärken und Fähigkeiten formen, was als positiv für die Stärkung des Durchhaltevermögens für schwierige Aufgaben gilt (Riedel 2010, s. 209).
Dies alles bedeutet jedoch sehr hohe Anforderungen und Erwartungen an die Lernenden. Immer wieder stößt daher die Anregung zu selbstgesteuertem Lernen auf ein reproduktives und passives, lehrerabhängiges Verhalten bei Lernenden (Simons 1992, s. 256, zitiert nach Riedel 2010, s. 209). Dieses verinnerlichte tradierte Lernkonzept sollte im Unterricht schrittweise abgebaut werden. Flierzu tragen Lernstrategien im Fachunterricht bei, insbesondere eine positiv gestaltete Lernsituation, die Ziele setzt und ein konzentriertes Lernen durch einen eigenen Arbeitsplatz in der Lernumgebung ermöglicht (BMFSF, 2005, s. 4f) Wichtig ist es weiterhin, den Lernenden verschiedene Strategien aufzuzeigen, wie sie sich Wissen aneignen können. In ihrem eigenen Tempo und auf ihrem eigenen Lernweg sollen die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Lernprozesse durchlaufen. Wichtig ist es, ihnen hierfür eine breite Auswahl an Medien, Materialien und Methoden anzubieten, um so ihre Selbständigkeit bis hin zur Selbststeuerung zu fördern. Die Lernziele umfassen dabei nicht allein die Wissensaneignung, sondern auch Strukturierungsfähigkeit oder Problemlösefähigkeit (vgl. Riedel 2010, s. 215 f) und nicht zuletzt eine Kompetenz für das eigene Lernen.
Meyer (2002) hat wesentliche Merkmale für den handlungsorientierten Unterricht zusammengefasst. Der handlungsorientierte Unterricht...
1. bildet sich nicht durch die Systematik der Fachwissenschaft, sondern durch konkrete Pläne und Fragestellungen. Eine Aufspaltung der Lehrinhalte in Einzelstunden fehlt. Ganzheitliche Unterrichtsmethoden wie Gruppen- und Partnerarbeit, Rollenspiel und Projektarbeit sind bevorzugt.
2. ist schüleraktiv und selbsttätig. Der Lehrer führt, gibt aber wenig vor.
3. zielt auf die Flerstellung von Flandlungsprodukten, nicht nur materieller Art.
4. nimmt subjektive Schülerinteressen zum Ausgangspunkt.
5. beteiligt die Lernenden an der Durchführung, Planung und Auswertung.
6. öffnet Schule nach innen und außen; ist fächerübergreifend, fördert individuelle Lernwege und kann auch Experten und Eltern in die Lernarbeit integrieren.
7. ermöglicht das Lernen mit allen Sinnen und bringt Kopf- und Flandarbeit in ein ausgewogenes Verhältnis.
Aber worauf begründet sich diese Art des Lernens?
2.1.1 Begründung für den handlungsorientierten Unterricht
Das selbständige Planen und das Erleben eigener Erfahrungen tritt in unserer Lebenswelt immer mehr in den Flintergrund. Durch ״allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit“ und die Verringerung von Handlungsmöglichkeiten (vgl. Gudjons 2014, s. 11) wird das tätige, aktive, eigene Aneignen der materiellen Welt zunehmend auf ein eher bildhaftes Aneignen von Kultur durch technische Medien verschoben. Als Vorbereitung auf ein eigenverantwortliches Leben sind unmittelbare Erfahrungen, die von einer aktiven Auseinandersetzung mit der Gegenwart zeugen, wichtig, denn die Arbeitswelt erfordert das selbstständige Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten. Denn das Aneignen von Erfahrungen und damit ein tieferes Verstehen setzt die Eigentätigkeit voraus. Denn: ״Wo eine Vorstellung von Entstehen fehlt, wird das Verstehen schwieriger“ (Gudjons 2014, s. 16). ״Hierzu muss eine ״handlungsarme Tafel-Kreide-Schwammpädagogik“ (Gudjons 2008 a, s. 18) zurückgehen und sinnliche-handgreifliche Primärerfahrungen im Unterricht möglich sein (vgl. Riedel 2010, s. 217). Die Integration der technischen und elektronischen Medien in den handlungsorientierten Unterricht widerspricht dem jedoch nicht.
Durch den handlungsorientierten Unterricht wird nach Jank und Meyer (2002, s. 368ff.; vgl. auch Meyer 1987 b, s. 410 zitiert nach Riedel 2010, s. 219) erreicht, dass Schülerinnen und Schüler aktiver lernen, weil sie sich besser mit dem Unterrichtsgegenstand identifizieren. Die intensivere Auseinandersetzung mit den Lerninhalten führt zu besseren Lernergebnissen. Die Lernenden übernehmen für den Unterrichtsverlauf Verantwortung und bewerten ihre Arbeitsergebnisse selbst. Auch die Unterrichtsarbeit unterziehen sie einer demokratischen Kritik und Kontrolle. Nicht zuletzt lassen sich Disziplinierungsprobleme durch eine solche offene Unterrichtsform reduzieren (Peschei 2002).
Die Hattie-Studie (2013) zeigt, dass die Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus ein zentraler Einflussfaktor in Bezug auf den Lernerfolg ist.
Die heutige schulische Bildungsperspektive folgt dem pädagogischen Ideal, die Entwicklung von Selbständigkeit zu ermöglichen. Das verbindet sich mit der Überzeugung, dass Mündigkeit und Emanzipation die Ziele der heranwachsenden Bürger und Bürgerinnen selbst sind.
2.1.2 Anforderungen an die Lehrkraft
Für die Lernenden ist das selbstgesteuerte Lernen eine bedeutende Bildungsaufgabe (Riedel). Die Lehrenden haben die Aufgabe, die Lernumgebungen so einzurichten, dass sie den Lernenden beim Wissenserwerb dienlich sind.
Selbstgesteuertes Lernen im Unterricht fordert Lehrer und Lehrerinnen sehr. Die Vorbereitungsphase für den Unterricht ist intensiver. Im Unterricht selbst verzichten sie jedoch weitgehend auf direkte Einflussnahme und versuchen den Lernenden Handlungsspielräume und Eigeninitiative zu gewähren. Damit die Schülerinnen und Schüler innerhalb dieser Handlungsspielräume erfolgreich lernen und dabei ihre Selbstwirksamkeit erfahren können, ist eine vorbereitende Analyse der vorhandenen Lernkompetenzen erforderlich, um dann die fachliche und methodische Entwicklung in der Planung aufzubauen. Das Konzipieren von differenzierenden Lernarrangements mit Lernmaterialien ist der nächste Schritt. Im Unterricht übernehmen die Lehrkräfte die Aufgabe des Beobachtens der individuellen Entwicklung der Lernenden, geben bei Schwierigkeiten Anregungen und stehen allgemein zurückhaltend, abwartend und zugleich helfend den Lernenden gegenüber (vgl. Riedel 2010, s. 217).
2.1.3 Anforderungen an den Raum
Damit handlungsorientierter Unterricht gelingen kann, müssen auch die Räume auf ein Schüler- und handlungsorientiertes Lernen ausgerichtet sein, müssen die Selbständigkeit der Lernenden fördern und ihr Selbstwertgefühl steigern. Von entsprechend angepassten Räumen sind eine Verbesserung des Lern- und Schulklimas und eine Entlastung der Lehrkräfte zu erwarten (vgl. Buddensiek 2001, s. 213-244). Zu einer solchen Anpassung der Räume gehört es beispielsweise, dass das Mobiliar den Schüler und Schülerinnen erlaubt, nicht wie festgezurrt dazusitzen, sondern sich in ihrer Position zu verändern, im Stehen oder Liegen zu lernen und verschiedene Gruppen zu bilden. Das Klassenzimmer sollte auch gegenüber dem übrigen Schulgebäude nicht abgeschlossen sein, sondern eher als Basis für Entdeckungen fungieren. Übergeordnetes Ziel bei der Gestaltung der Raumstruktur ist es, die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein zu unterstützen (vgl. Buddensiek 2001, s. 194-199).
Grundlegend zur Schaffung von optimalen Bedingungen an der Schule ist in Berlin die Vorgabe der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Sie entspricht dem Konzept der Handlungsorientierung, denn darin heißt es:
״Schülerinnen und Schüler gestalten Bereiche des Ganztags eigenverantwortlich. Hierbei erhalten sie Unterstützung.“
(Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Februar 2013, s. 18)
Das Prinzip der Handlungsorientierung geht davon aus, dass für die Schülerinnen und Schüler diejenigen Themen relevant sind, die sie in ihrer Umgebung antreffen - so auch die Räume, von denen sie in der Schule umgeben sind. In dem sie sie eigenständig gestalten, kommen sie ins Handeln. Durch Mitbestimmung und die eigene praktische Arbeit machen sie Schule zu einem Ort, mit dem sie sich identifizieren können.
״[Der] Aneignungswunsch und die Gestaltungslust der jungen Generation [sollen] herausfordern und die Chance bieten, mindestens temporar eigene ,Spuren‘ zu hinterlassen. Sonst bleibt ihren Provokateur(inn)en nur die Ritzzeichnung in der Tischbank und die Protestkultur der Graffitisprayer/innen“
(Der GanzTag in NRW 2012, s. 11 )
So sollten es nicht Architektinnen und Architekten sein, nicht die Schuldirektion und nicht die Lehrer und Lehrerinnen, die das Ergebnis der Raumgestaltung bestimmen. Vielmehr begleiten sie die Schüler und Schülerinnen auf ihrem Weg, die Unzulänglichkeiten in der Umgebung zu verändern und aus den Schulzimmern Räume des Lernens und Lebens für sich zu machen.
2.2 Umsetzung im WAT-Unterricht
2.2.1 Rahmenlehrplan des Unterrichtsfachs WAT
Der Grundsatz der Bildung und Erziehung in der Sekundarstufe I des Rahmenlehrplans im Fach Wirtschaft - Arbeit - Technik sieht - wie bei den übrigen Fächern - vor, die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit der Lerner zu fördern. Dabei sollen die bisher erworbenen Lernerfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten so vertieft werden, dass eine Kompetenzentwicklung die erfolgreiche Bewältigung von Herausforderungen im Alltag und im späteren Berufsleben ermöglicht.
Als umfassender Anspruch ist im Rahmenlehrplan formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler in demokratischem Handeln in gewaltfreien, loyalen Gemeinschaften eigene Handlungsspielräume erschließen lernen sollen. ״Kenntnisse über wissenschaftliche, technische, rechtliche, politische, soziale, ökonomische und ökologische Entwicklungen“ (Rahmenlehrplan 2012, s. 5) bilden die Grundlage dafür, dass sie ihre Handlungsspielräume nutzen und dabei auch Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen übernehmen. Sie befinden sich stetig in Prozessen der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Das Lernen erfolgt alleine und in der Gruppe.
Anhand von Standards wird am Ende jeder Doppeljahrgangsstufe der Kompetenzzuwachs für dieses ganzheitliche Lernen verdeutlicht. Dieser Maßstab für das ganzheitliche Lernen ist auch ausschlaggebend für die Unterrichtsgestaltung und bildet den Parameter für das Entwickeln von Konzepten zur individuellen Förderung der Lernenden.
Die inhaltlichen Kompetenzen entwickeln sich in Themenfeldern, deren Inhalte von den jeweiligen Fächern (im vorliegenden Fall also Wirtschaft, Arbeit und Technik) angeboten werden. Dabei wird der Bezug zur Erfahrungswelt der Lernenden im Kontext der aktuellen und der zukünftigen Gesellschaft erörtert, denn vernetztes Denken und Handeln wird als Grundlage für lebenslanges Lernen verstanden. Dies erfordert auch fachübergreifende Kooperationen und entsprechende Absprachen seitens der Lehrkräfte und das Aufgreifen regionaler und schulspezifischer Besonderheiten und Interessenlagen der Lernenden. Die Schulbeteiligten arbeiten dafür zusammen und nutzen Kooperationsangebote externer Partner.
Lernende sollen die Möglichkeit von Verantwortung für und aktiven Gestaltung von Unterricht bekommen. Die neue Lernkultur soll bei ihnen den eigenen Lernweg bewusst werden lassen, dabei sind unterschiedliche Lösungen und das Treffen eigener Entscheidungen nötig, sogar ״Fehler und Umwege werden dabei als bedeutsame Bestandteile von Erfahrungs- und Lernprozessen akzeptiert“ (Rahmenlehrplan 2008, s. 7).
Erfolgreiches Lernen erfordert die Auseinandersetzung mit dem Neuen. Es erfolgt in den verschiedenen Lernphasen der Anwendung, des übens, des Systematisierens und des Vertiefens und Festigens von neuen Informationen.
Unabhängig vom Fach WAT formuliert Paragraf 12, Absatz 2 des Schulgesetzes von Berlin generell zwei Gestaltungsmöglichkeiten für den Unterricht. Zum einen können Unterrichtsfächer zu einem Fach zusammengefasst werden oder mehrere Fächer können fachübergreifend gemeinsam eingeteilt werden (Rahmenlehrplan 2008, S.7).
Eine besondere Unterrichtsform ist das Projekt. Schülerinnen und Schüler können sich ihrem Alter entsprechend an Projekten aktiv beteiligen, in denen über Fächergrenzen hinaus Lernprodukte erstellt werden, bei denen überfachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten ihnen die Lebens- und Arbeitswelt eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben näher gebracht wird.
״Von Schülerinnen und Schülern werden komplexe Produkte bzw. Dienstleistungen kooperativ geplant, gefertigt, bewertet sowie angeboten. Der Prozess des planend-produzierenden Arbeitens wird dokumentiert, über die praktische Umsetzung wird die Verbindung zum reflexiven Umgang mit Innovationen aus Technik und Technologie hergestellt“.
(Wirtschaft - Arbeit -Technik, Berliner Rahmenlehrplan 2015 Teil c, für die Sekundarstufe I, s. 41)
Der Kompetenzerwerb erfolgt nach dem Grundsatz des forschenden, handlungsorientierten und selbstbestimmten Lernens. Um diesen TheoriePraxis-Bezug einlösen zu können, ist ein projektorientierter, fächerverbindender und fachübergreifender Unterricht besonders geeignet. Diese Unterrichtsmethode gewährleistet eine mehrdimensionale Auseinandersetzung mit den Themen des Fachs. Die Auseinandersetzung mit Problemen wird selbstständig, eigenverantwortlich und kritisch, kreativ, kooperativ, situativ adäquat und lösungsorientiert entwickelt (ebd.).
Der Unterricht in WAT findet im Klassenraum und auch in Werkstätten der Schule und an außerschulischen Lernorten statt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Vielfältiger Kompetenzerwerb im Fach Wirtschaft –Arbeit – Technik. Quelle: Rahmenlehrplan 2012, S.11.
Zur fachbezogenen und berufsrelevanten Methodenkompetenz gehören die Bewertung der Realisierbarkeit von Vorhaben, ihre Planung und die Organisation von Arbeitsschritten, was auch das Ausüben von Arbeits- und Auswertungstechniken durch die Schülerinnen und Schüler umfasst (ebd.).
Das erfolgreiche Kommunizieren ist später in beruflichen Zusammenhängen erforderlich. So sind Prozesse kritisch zu reflektieren und eigene Ideen in Projektvorhaben überzeugend zu vertreten. Dabei ist die Verknüpfung von Alltags- und Fachsprache entscheidend (ebd.).
Einen eigenen Kompetenzbereich bildet es, Urteile und Entscheidungen sach- und situationsgerecht zu treffen. Dies betrifft zunächst die praktischen Arbeitsschritte. Sie sind zu verstehen und anzuwenden unter der Einbeziehung von arbeitsweltlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Überlegungen. Reale Situationen sollen erfasst werden, Interessenkonflikte erörtert und Lösungen und Konsequenzen gilt es abzuwägen (ebd.).
Der Kompetenzbereich Fachwissen lässt sich für das Fach WAT in folgenden zwölf zentralen Aspekten zusammenfassen:
- Arbeitssicherheit und Gesundheit
- Berufs- und Studienorientierung
- Gesellschaftliche Arbeitsteilung
- Flistorische Entwicklung
- Informations- und Kommunikationstechnik
- Ökologie
- Ökonomie
- Produktqestaltunq und Design
- Symbolische Darstellungsformen
- Technikeinsatz
- Verbraucherverhalten
- Waren- und Werkstoffkunde
Die rote Umrandung zeigt, welche fachlichen Inhalte sich mit dem Projekt der Klassenraumgestaltung zur Lernlandschaft verknüpfen lassen.
Als eines der Themenfelder des Fachs WAT benennt der Rahmenlehrplan Bauen und Wohnen (WP6). Dabei entwickeln Schülerinnen und Schüler der Doppeljahrgangsstufen 7/8 sowie 9/10 altersentsprechend Vorstellungen über Wohnperspektiven. Die folgenden ausgesuchten Aspekte sind mögliche Lernziele bei dem Konzept für ein Unterrichtsprojekt ״Umbau des Klassenzimmers zur Lernlandschaft“: Schülerinnen und Schüler können ...
- ... sich über Baustoffe, Materialeigenschaften von Einrichtungsgegenständen und Wohntextilien informieren.
- ... Baupläne und Montageanleitungen und Gebrauchsanweisungen zur Bewältigung planerischer Aufgaben übernehmen.
- ... Wohnformen und Wohnbedürfnisse analysieren.
- ... oder sich über Gesundheitsgefährdung durch Baustoffe und ihre Verarbeitung informieren.
- ... oder ein Modell und CAD-Zeichnungen anfertigen und so zugleich ein verbessertes räumliches Verständnis entwickeln.
- ... oder dem Aspekt von Berufsbildern im Bereich Bauen und Wohnen sowie dem Thema Gender nachgehen.
- ... sich mit dem Wohnen im Wandel der Zeit und mit der regionalen Baugeschichte auseinandersetzen.
- ... die Nachhaltigkeit ökologischen Bauens und Wohnens beachten.
- ... sich mit der Gestaltung eines bedürfnisgerechten Jugendzimmers als eines möglichen Vorbilds beschäftigen (vgl. WAT Rahmenlehrplan, s. 47 Teil C).
Eine thematische Erweiterung des Wahlpflichtfaches ist in der Schulumfeldgestaltung (WP8) möglich. Dabei können Schülerinnen und Schüler ein Vorhaben für ein attraktives Schulumfeld entwickeln, wobei sie fachbezogene und fachübergreifende Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeinsam
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
vertiefen. Fast alle fachlichen Inhalte, die der Rahmenlehrplan hier vorschlägt, können in dem Projekt zur Umgestaltung des Klassenraums erlernt werden:
- Planung und Verwirklichung von Vorhaben für ein an den Nachhaltigkeitskriterien orientiertes Umfeld
- Grundlagen aus Innenarchitektur und gestalterischem Handwerk.
- Ressourcen- und Arbeitsablaufplanung
- Material- und Kostenberechnungen
- Beschaffung von Informationen und Ressourcen
- Vielfalt und Verschiedenheit (Diversität) im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich
- Ansätze und Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung
- Unterschiede zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen und ihre Nutzung
- Arbeitsschutz
- Berufsbilder im Bereich Landschaftsgestaltung, Landwirtschaft, Architektur, gestalterisches Handwerk/Genderaspekte.
Der Bezug zu den sogenannten inhaltlichen Basiskonzepten für den WAT-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unterricht ist die Betrachtung ...
... des Systems:
- Wechselwirkungen im Lebensraum Schule sowie im Schulumfeld.
... der Entwicklung:
- historische, regionale und überregionale Zusammenhänge im Lernen, Wohnen und Wirtschaften.
... der Nachhaltigkeit:
- nachhaltige Entwicklung von Lebensräumen.
Möglich ist auch die Integration des Basiskonzepts
- Projekte zur Mitgestaltung der eigenen Schule, z. B. grünes Klassenzimmer, Gestaltung der Mensa.
(vgl. WAT Rahmenlehrplan 2017 Teil c, s. 49).
Die beiden Themenfelder, Bauen und Wohnen und Schulumfeldgestaltung sind die Grundlage für die projektbezogene Umgestaltung des Klassenraums.
2.2.2 Unterrichtsplanung
Die Unterrichtsplanung für den WAT-Unterricht muss wiederum den Prinzipien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
des handlungsorientierten Unterrichts folgen Jank/Meyer (1991, s. 329).
Sie entfalten diese Prinzipien in Form eines Planungsrasters, das für die pädagogische Gestaltung eine hilfreiche Orientierung darstellt.
Der Unterricht in WAT stellt methodisch eine besondere Chance und zugleich Herausforderung dar, denn die Handlungsformen sind hier noch wesentlich vielfältiger als im sonstigen Fachunterricht, weil sie auch das Messen und Anfertigen von Modellen, das Einholen von Kostenschätzungen, das Sägen, Bohren, Schrauben usw. umfassen, die jeweils auch in unterschiedlichen Sozialformen (Einzel-, Partner, Gruppenarbeit) erfolgen können. Zugleich gilt es, diese Tätigkeiten auch jeweils zu reflektieren, damit die Schülerinnen und Schüler auch einen kognitiven Zugang zu diesen Inhalten entwickeln können.
2.3 Die Projektarbeit
In den USA entwickelten William Heard Kilpatrick (1871-1965) und John Dewey (1859-1952) eine Variante des handlungsorientierten Unterrichts, die Projektmethode. Klafki (1970) bezeichnet das Projekt als methodische Großform und ordnet es in die Reihe vom Lehrgang, Jahresplan oder Unterrichtseinheit ein (vgl. auch Meyer 1987, s. 143). Meyer erweitert den Projektbegriff und umschreibt das Projekt als einen Unterricht, in dem Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, bereitwillige Eltern und Experten einen Versuch unternehmen, Leben, Lernen und Arbeiten miteinander zu verbinden, damit ein gesellschaftliches und wesentliches individuelles Bedürfnis und Interesse aufgearbeitet werden kann. Der Prozess ist dabei genauso wichtig wie das Handlungsprodukt (ebd.).
Grundsätzlich ist das Projekt eine sehr gute Form, um das selbstgesteuerte und handlungsorientiertes Lernen zu verwirklichen. Dies unterstreicht auch Frey (1996, s. 58, zitiert nach Riedel 2010, s. 221), indem er einen besonderen Bedarf der Schule an einer Projektmethode begründet. Demnach ist das Projekt geeignet, die individuelle Entfaltung und die gesellschaftliche Entwicklung der Lernenden zu fördern und eine Übernahme an Verantwortung einzuüben, denn es ermöglicht das Erfahrbarmachen von Mitgestaltung im alltäglichen Leben. So benennt Frey weiter, dass die Kluft zwischen der Schulwirklichkeit und dem ״wahren Leben“ im Projekt überwunden werden kann (ebd.). Zudem kann im
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Projekt auf sehr direkte Weise schnell neues Fachwissen erworben und eingeübt werden.
[...]
1 Hugo Gaudig (1860-1923) entwickelt didaktische Methoden wie die Gruppenarbeit und das Projektlernen mit der Auswertung im gemeinsamen Gespräch.
Schlagworte:
lit-2017_buch, Masterarbeit,
kein Summary verfügbar
Notiz:
TU Berlin
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ID: 5333 | hinzugefügt von Jürgen an 14:58 - 18.4.2020 |
title: Winfried Böhm: Der pädagogische Placebo-Effekt. Zur Wirksamkeit von Erziehung 2016 by Schraut, Alban |
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Titel: | Winfried Böhm: Der pädagogische Placebo-Effekt. Zur Wirksamkeit von Erziehung 2016 |
Autor: | Schraut, Alban | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 36 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
Notiz:
rektor-gs@montessori-schweinfurt.de
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ID: 4976 | hinzugefügt von Jürgen an 05:44 - 19.7.2017 |
title: Super Tabelle by Strobl, Anton; Brühl (D) |
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Titel: | Super Tabelle |
Autor: | Strobl, Anton; Brühl (D) | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 44 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
|
ID: 4978 | hinzugefügt von Jürgen an 05:47 - 19.7.2017 |
title: Vortrag Vernetzung R by Vogt, Herbert |
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Titel: | Vortrag Vernetzung R |
Autor: | Vogt, Herbert | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 5 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
kein Summary verfügbar
keine Notizen verfügbar
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ID: 4967 | hinzugefügt von Jürgen an 05:14 - 19.7.2017 |
title: Vielfalt erfahren - Lernwege erproben by Vorbereitungsgruppe |
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Titel: | Vielfalt erfahren - Lernwege erproben |
Autor: | Vorbereitungsgruppe | Sprache: | deutsch |
Quelle: | Prinzhöfte, Fragen und Versuche 160, S. 47 | Quellentyp: | Artikel aus Zeitschrift |
veröffentlicht am: | DD.7.2017 | | |
url: | |
Text:
-
Schlagworte:
FuV-160, lit-2017_art,
summary:
Fortbildung Schloss Gnadenthal/Kleve
Notiz:
buero@hu-bildungswerk.de
http://www.hu-bildungswerk.de
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ID: 4979 | hinzugefügt von Jürgen an 05:52 - 19.7.2017 |
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